Margret Kreidl
SCHREIBTISCH / SELBSTBILD / TAGEBUCH
SCHREIBTISCH / SELBSTBILD / TAGEBUCH
SCHREIBTISCH
Der Salatkopf wächst. Ich komme mit den Äpfeln ins Gespräch.
Ich beiße niemanden. Der Zweig blüht weiter, während er Früchte
trägt. Zwischen den Zwiebeln geht etwas zu Ende. Ich schäle
eine Gurke, dann kämme ich die Pfirsiche. Gelb muss leiden,
sagt die Frau, die hinter dem Tisch steht. Ich will aufstehen,
aber ich kann nicht. Sie beugt sich zu mir: Schreib Erdbeeren
auf die Serviette.
Einfache Erklärung: Träume kann man essen.
SELBSTBILD
Mein Vater ist gestorben.
Ich trage sein Gesicht weiter,
weicher,
dunkler,
freier,
grüner,
salziger,
nackter,
strenger,
trauriger,
fremder,
kälter,
wacher,
jünger.
Einfache Erklärung: Je älter ich werde, desto ähnlicher sehe ich meinem Vater.
TAGEBUCH
Nichts geträumt.
Fast nichts geträumt.
Heute nichts geträumt.
So lange nichts geträumt.
Nichts geträumt.
Nichts, nichts.
Die ganze Zeit nichts geträumt.
Wieder nichts geträumt.
Bei einem Baum gewesen, so schöne Sachen geträumt.
Einfache Erklärung: Manchmal muss man in den Wald gehen
um zu träumen.