Kateryna Kalytko (Катерина Калитко)

Du rauchst am Fenster, in den offenstehenden Mai,

deine Gedanken: wie gut fügte sich alles in unserem letzten Krieg:

vernichtet wurde fast nichts,

außer der Kindheit, zusammen mit Mutter,

aber es war ohnehin Zeit dafür.

Man kann ja nicht ewig leben, ohne erwachsen zu werden.

Außer dem Haus, aber was heißt schon ein Haus,

der Sinn der menschlichen Siedlungen ist ihr Provisorium.

Woher denn sonst kommt die Sehnsucht hineinzuschauen

in die fremden beleuchteten Fenster, halbdurchsichtig und bitter,

wie dünne Scheiben einer Zitrone.

Lichtbilder, Briefe, sinnloses Tagebuch und Kinokarten

zu einem ehemals neuen Film,

ein getrockneter Strauß – all das könnte man wegwerfen, wenn man es wagte.

Besonders verletzend war jener rote Bindfaden in deiner Schublade –

du wusstest nicht mehr, woher du ihn hattest, er war lang genug,

um das zarte Handgelenk einer jungen Frau zuzubinden.

Alles da – Arme und Beine, für eine redliche Arbeit,

sogar der Kopf ist da, auch wenn darin bis heute

schreckliche Bilder toben,

andererseits sieht sie keiner, niemand fragt danach.

Die Stadt ist so gut wie heil.

Die Menschen so gut wie lebendig.

Menschen, die überlebten, die flüchteten, sich versteckten,

das Kanalnetz verließen, Verrat zwar übten, danach aber alles bereuten,

auswanderten, um danach als andere Menschen zurückzukehren.

Sie sind überall, sie sagen: Wie gut es uns geht!

Es gibt welche, die Brot backen.

Es gibt welche, die es für Brotkarten erhalten.

Es gibt welche, die Kinder austragen und Kinder abtreiben.

Es gibt welche, die Spinat anbauen, aber keiner weiß, etwas damit anzufangen.

Da wüsste die fehlende Mutter den Rat,

Spinat und Käse in ihrem Kuchen an jedem Kindheitssamstag.

Ab und an zeigt sich in der Menschenmenge das Mädchen mit rotem Bindfaden,

vor allem wenn das Gewitter naht. Oder vor dem verstörenden Vollmond.

Man kann einen gebären

oder erschießen,

sich in einen verlieben.

Was macht man denn sonst noch mit Menschen,

kannst du dich richtig erinnern?

Wir könnten’s versuchen.

Los, komm!