Katharina Schultens
bärenmarkt
bärenmarkt
der zweite meiner tanzbären lief früher halbmarathon
laokoon: lag er nun umwickelt in bollingerbändern
zuckte abwechselnd mit den tatzen hob die beine
rappelte sich begann als der gesang einsetzte
von einem bein aufs andere zu treten
die kreisenden arme dicht am lendenfell
rutschte der hut ihm übers eine auge
die jacke klaffte überm runden bauch
der weich war ich wusste wie sehr
der zweite meiner tanzbären
hatte seine kinder zurückgelassen
als die gier ihm unerbittlich
durch den ring geschlüpft war
der innig seinen stolz mit seinem
schwanz verband: hatte gezippelt
gezogen sacht …
der zweite meiner tanzbären füllte alles
was an erinnerung aus seinem körper rann
in flaschen ab die leise zischten
er trank und trank lief hellgelb an
vergaß endlich von neuem wer er war
-
ich ging zurück zum ersten
ich vermisste weiterhin den ersten
ich hatte vergessen was der erste wusste
vor allem hatte ich: was nicht vergessen
der erste meiner tanzbären war uneinholbar
der erste meiner tanzbären war ein wirklich fixer sprinter
der erste meiner tanzbären hatte in sibirien sein fell rasiert
der erste meiner tanzbären war eigentlich kein bär
wir hatten unsere schnitte sämtlich geflickt
wir hatten die 200-tage-linie nie überschritten
wir hatten die signale ins dauerfiepen gestellt
im sommer lag er auf meinem rücken der allererste
meiner bären auf mir: auf der wiese im stadtbad drückte
seinen stachligen körper in die mulden meines körpers
der noch das fell gespeichert hatte sonne nicht erkannte
so gab es ausbruch aus dem zuckenden gesamtverlauf
die barrieren oben fielen auf die gerissenen unten
ich dachte: jetzt ist es vorbei – jetzt tanze ich
den dritten meiner bären rufe ich nicht auf