Keine Ansprachen

(für Tom Schulz)


KEINE ANSPRACHEN, das Licht
sollte sich nach den Schatten richten

nichts Klares, kein Fahrplan
ein Gewirr aus Stimmen

ein Anfang aus jenem, vielleicht auch
etwas völlig anderes, wer weiß

z. B. Schneewehen im August oder
eine Bowling-Bahn, die nicht gemietet wird

anderen Tags, so wünscht man, einen Mund
der spricht, ein Ohr, dem etwas zu versprechen ist

© Berlin Verlag
Aus: Großes Kino
Berlin: Berlin Verlag, 2005
ISBN: 3-8270-0584-1
Audioproduktion: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Picassos »Composition au papillon«

Heute gehen mir deine zauberhaften Gaben nicht aus dem Sinn,
ich bin allein, der Kessel zischt, über mir da zieht ein Eismond hin,
Wieder denke ich, dass du ein Wiedergänger warst
von Leonardo, ein Cuchulain der Leinwand.
Nie bog sich Farbe unter solchen Lasten –
Guernica, profane Ziegen, die Antlitze von Olga;
sogar die spröde »Composition au papillon«
sieht so vollendet aus, dass Götter endlich werden.

In Paris, mit einundfünfzig, da konntest du ein Gott sein
mit Leinwand, Strick, Reißzwecke, Öl. Es ist doch so:
alle kommen wir aus Nestern, die kunstlos und ominösisch.
Doch falls es gut läuft, Picasso, sterben wir französisch.

Übersetzt von Ron Winkler