Pol Pot in Paris

Oh happy child, kindly teacher – were you a fake?
Like you I'm taciturn
but when I give an order who's to hear?
Paris, I found it cold but didn't read very much.
No one knows what you thought of its weather,
the river, the churches or the metro.
You preferred a book on the Soviets to girls in Montmartre.
I too would rather recite Verlaine
than take notes on electronics.
If I had a history and traditions, I don't remember.
Would you understand me?
I too lived on an allowance
of uncomfortable epithets
cobbled from Buddha and Marx:
"Physical beauty is an obstacle to the will to struggle."

Late nights drinking weren't your thing.
Sweet words of girls “mask evil hearts”.
A fun holiday on a tractor in Belgrade.
“The wheels of revolution never stop, roll on
to crush all who dare to walk in its path.”
We could have been lifetime friends, together
rooting out evil, picking mushrooms,
sipping coffee in the Latin Quarter,
mediocre, polite, soft spoken
migrants meandering in overcoats.

The others marry French girls, you join a work brigade
digging ditches in Zagreb.
In the 15th arrondissement, Rue Latellier
mid-winter, dog shit everywhere.
On the river it’s 20 francs
for La Grande Revolution Française.
We could’ve talked, taken notes for a memoir:
did you join the party before or after the festival
in East Berlin? Did you buy that shirt
before or after the coup d'état?

In Marseille you boarded the Jamaique.
Your tiny shadow cast a conspiracy
of epic dimensions, and there, in the oily backwash
and the silver wake, a complete solution.
I too went home, dreaming of a family
I would never have, and the one I would.

© Adam Aitken
Audioproduktion: The Red Room Company, 2013

Pol Pot in Paris

Oh glückliches Kind, gütiger Lehrer – war alles Schwindel?
Ich bin schweigsam wie du,
aber wenn ich einen Befehl gebe, wer ist da, ihn zu befolgen?
Paris, ich fand es eher kalt, doch ich las nicht viel.
Niemand weiß, was du vom Wetter dort gehalten hast,
dem Fluss, den Kirchen oder der Metro.
Lieber hast du ein Buch über die Sowjets gelesen als über die Mädchen in Montmartre.
Ich selbst würde auch lieber Verlaine rezitieren
als Elektrotechnik zu büffeln.
Ob ich Geschichte und Tradition hatte, ich erinnere mich nicht.
Würdest du mich verstehen?
Ich selbst bediente mich großzügig
an einem Vorrat unangenehmer Beiwörter,
eine Mischung aus Buddha und Marx:
„Körperliche Schönheit ist ein Hindernis im Kampf ums Überleben.“

Nächtliche Gelage waren nicht deine Sache.
Hinter den süßlichen Worten der Mädchen verbirgt sich ein „böses Herz“
Ein spaßiger Urlaub auf einem Traktor in Belgrad.
„Die Räder der Revolution ermüden nicht, bewegen sich weiter,
um all jene zu überrollen, die sich ihr in den Weg stellen.“
Wir hätten Freunde fürs Leben sein können, hätten
das Böse bekämpfen, Pilze sammeln,
Kaffee trinken können im Latin Quarter,
mäandernde Migranten in Mänteln,
mittelmäßig, höflich, zurückhaltend.

Die anderen haben französische Mädchen geheiratet, du hast dich
einer Arbeiterbrigade angeschlossen, um in Zagreb Gräben zu graben.
Im 15. Arrondissement, Rue Latelillier,
mitten im Winter, Hundescheiße überall.
Am Fluss bezahlt man 20 Francs
für La Grande Revolution Francaise.
Wir hätten sprechen, wir hätten Notizen machen können für spätere Memoiren:
Bist du der Partei vor oder  nach dem Fest
in Ost-Berlin beigetreten? Hast du das Hemd
vor oder nach dem Putsch gekauft?

In Marseille bist du an Bord der Jamaique gegangen.
Dein kleiner Körper wirft den Schatten einer Verschwörung
epischen Ausmaßes, und da, im öligen Schraubenwasser
und dem silbernen Rückstrom, eine vollständige Auflösung.
Ich ging auch nach Hause, träumte von einer Familie,
die ich nie bekommen würde, und einer, die ich bekam.

Aus dem Englischen von Matthias Kniep und Nadja Küchenmeister