Exile

                                                 If it happened once, it happened in Odessa.

The city of your childhood rises between steppe and sea, wheat and light,
white with the dust of cockleshells, stargazers, and bones of pipefish,
city of limestone soft enough to cut with a hatchet, where the sea
unfurls and acacias brought by Greeks on their ships
turn white in summer. So yes, you remember, this is the city you lost,
city of smugglers and violinists, chess-players and monkeys,
an opera house, a madhouse, a ghost church with wind for its choir
where two things were esteemed: literature and ships, poetry and the sea.
If you return now, it will not be as a being visible to others, and when
you walk past, it will not be as if a man had passed, but rather as if
someone had remembered something long forgotten and wondered why.
If you return, your father will be alive to prepare for you
his mint-cucumber soup or give you the little sweet called bird's milk,
and after hours of looking with him for his sandals lost near the sea,
you visit again together the amusement park where
your ancestors are buried, and then go home to the apartment house
built by German prisoners of war, to whom your father gave bread
which you remember surprised you. You take the tram to a stop
where it is no longer possible to get off, and he walks
with you until he vanishes, still holding in his own your invisible hand.

© Carolyn Forché
Audioproduktion: Haus für Poesie / 2016

Exil

                                                               Geschah es einmal, dann in Odessa.

Die Stadt deiner Kindheit erhebt sich zwischen Steppe und Meer, Weizen und Licht,
weiß vom Staub der Herzmuscheln, Himmelsgucker und Seenadelgräten,
Stadt des Kalks, weich genug, ihn mit einem Beil zu schneiden, wo das Meer
sich ausrollt und Akazien, von Griechen auf ihren Schiffen gebracht,
weiß werden, sommers. Oh ja, du erinnerst dich, dies ist die Stadt, die du verloren hast,
Stadt der Schmuggler und Geiger, Schachspieler und Affen,
eine Oper, ein Tollhaus, eine Geisterkirche mit Wind als Chor,
wo zwei Dinge verehrt wurden: Literatur und Schiffe, Poesie und das Meer.
Wenn du jetzt zurückkehrst, wird es nicht als ein anderen Sichtbarer sein, und wenn
du vorübergehst, wird es nicht sein, als wäre ein Mensch vorübergegangen, sondern
als hätte jemand an etwas lange Vergessenes gedacht und sich gewundert, warum.
Wenn du zurückkehrst, wird dein Vater am Leben sein, um dir seine Minzgurkensuppe
zu kochen oder dir die kleine Süßigkeit zu schenken, die Vogelmilch heißt,
und nach Stunden, in denen ihr seine nahe beim Meer verlorenen Sandalen sucht,
besucht ihr noch einmal zusammen den Jahrmarkt, wo
eure Vorfahren begraben sind, und geht dann nach Hause, zu jenem Mietshaus,
das von deutschen Kriegsgefangenen gebaut wurde, denen dein Vater Brot gab,
was dich, wie du dich erinnerst, überraschte. Ihr nehmt die Tram bis zu einer Station,
wo auszusteigen nicht länger möglich ist, und er geht
mit dir, bis er sich auflöst, deine unsichtbare Hand noch immer in seiner.

Übersetzt von Daniela Seel