Landschaft bei Tannenhof*

Keiner war in der Lage,
über den eigenen Tellerrand zu schauen,
jeder war der Mittelpunkt seines Hungers.

Mit ihren Sensen glichen die Mähder Schulzirkeln,
ihre Standbeine waren die Nadeln,
mit denen sie sich auf Erden fixierten.
So wurden ihre Standbeine Kreismittelpunkte,
u. die Längen ihrer Sensenbäume,
deren Klingen sich stählern durchs Frühsommergras zirkelten,
die jeweiligen Radien ihrer Kreise.

Sehen Sie?!
Das war eine Anthropozentrik,
die den Namen verdiente,
eine wahre geometrische Anthropozentrik!

Die Sichtverhältnisse des Glücks waren auf ein Minimum reduziert,
die Welt war eine Scheibe,
u. die Blitze u. Donner,
die von außen auf sie einschlugen,
Gotteszeichen,
u. der Aberglaube,
der dabei entstand,
poetisch groß.

Ja, eine Scheibe war die Welt
mit dem Radius einer Blechschüssel o. eines Sensenbaums o. des
                                                                                leinenen Kreises,
den Urgroßmutters schwarzer Rock auf dem Boden bildete,
wenn sie sommers aus heiterem Himmel inmitten des Hofes,
wo sie soeben harten trockenen Mais abgerebelt hatte,
sich hinhockte u. wildpinkelte.
Sehen Sie?!
Sie trug sommers keine Unterwäsche unterm Rock.

Sehen Sie
das unverschämte, vorkopernikanische u. hündisch sein Revier
                                                                    markierende Glück?!

Wir befanden uns in einer Diesigkeit des Glücks sondergleichen,
wir waren ganz dizzy vor Glück.

Wieder so blindwütig glücklich, so glückswütig blind sein!


* Brad (deutsch Tannenhof, ungarisch Brád) ist eine Kleinstadt im Kreis Hunedoara in Siebenbürgen, Rumänien.

© Alexandru Bulucz
Aus: Unpublished
Audioproduktion: Haus für Poesie, 2022

Landscape Near the Town of Brad

No one was capable

of seeing beyond their own plates,

everyone the midpoint of their hunger.


With their blades the scythes resembled school compasses,

their sturdy handles the pins

with which they grounded themselves.

So their handles became the midpoints of circles

& the lengths of their scythe-arms,

whose blades steely twisted through June’s early grass,

became the radii of their respective circles.


Do you see?!

That was anthropocentrism

befitting the name,

real geometrical anthropocentrism!


The visibility conditions of ease were down to a minimum,

the world was a disc,

& the thunder & lightning

that struck it from outside

were signs from God,

& the superstition

that emerged

waxed poetic.


Yes, the world was a disc

with the radius of a tin bowl or a scythe-arm or the linen ring

traced on the floor by my great-grandmother’s black skirt

in summer, when out of the blue,

smack in the middle of the farm

where she had been kernelling hard, dry corn,

she squatted down & tinkled rough.

Do you see?!

In summer she wouldn’t wear underwear under that skirt.


Do you see

the shameless, pre-Copernican, doglike territory-marking ease?!


We found ourselves in a misty ease par excellence,

we were downright dizzy with ease.


Oh to be full of such easy blind fury again, such easy furious blindness!

Translated from the German by Jake Schneider