Physical Inventory

S (Scars)

He has large horizontal stripes on his chest. They look like burns, the skin having healed irregularly. The only answer I was told was that it was from childhood. Some funny boys ritual, placing leaves that burned the skin that left scars that were painful to witness. I wonder what my mother thought when she first saw them, newlywed, on high count Egyptian sheets. Did she run her fingers trying to smooth them on his tan skin?


S (Sweat)  

My eight month old sleeps in the Hamburg summer on our dark sheets. There's a wet circle widening above his head. I touch his hair, matted and wet, confused at the lack of sweat on me even though the temperature and humidity are high. It's not until I take a photo and I'm looking at it days later, that I see the resemblance.

My father used to leave sweat patches everywhere. On the car seat as he waited for me in the library parking lot, on the chairs at home, his work out shorts he hung over the wooden bannister daily. His face would drip on his returns from daily runs. I used to think it was embarrassing, appalled at how one human being could sweat so much and not disappear from the loss.


B (Back)


He had this salmon colored heating pad shaped as a bottle, soft to touch, filled with scalding hot water. I saw this accessory almost as much as I saw him.

He used it on his lower back, leaving it there so long white blisters formed on his soft skin, bubbling. He hurt himself to feel better, a habit I carry with me.

Also my back, his back, our back. I carry the pain, that particular weight that targets the backs of moving people.


E (Eyes)

He protected and corrected them behind 70's fashion. One pair against the sunlight, one for printed words, and the other for all else.

I look for them on my return home many years later. I find them in his bedside dresser, unused, unneeded for eyes that no longer focus nor comprehend.

I took them for granted. After all I came from him so noticing specifics comes usually after one has some distance, like after lost years on the liberal streets of Santa Monica, the parties of Hollywood, the co-ed years of Westwood.

But they are blue, pale on the perimeter, hinting at gray. They weren't passed on to this family. So rare, only one of eleven known offspring received them. A boy, also a ladies man, I am told.


T (Tennis)

Red clay courts, I'm brought to see the game. He wears white, he wins.

The ones on our estate are grass green, baking and rising under the consistent sun.

A decade later, manicured suburbs, middle school. I wear a school maroon skirt with pockets, I am good. I play. Singles mostly, like him.

We practice on weekends and he brings white tennis balls, the first I have ever seen. I am good to his 38 years junior. He is also good, the master passing on the agility and importance of athletics. I accept.

© Lubi Barre
Audioproduktion: Haus für Poesie, 2020

Körperliche Bestandsaufnahme

N (Narben)

Quer über seine Brust verlaufen breite Streifen. Man könnte sie für ungleichmäßig abgeheilte Verbrennungen halten. Sie entstammten seiner Kindheit, war die Antwort, die man für mich bereithielt. Irgendein albernes Jungsritual, nesselnde Blätter, die sich in die Haut einbrennen und Narben hinterlassen, deren Anblick allein schmerzhaft ist. Was wohl meine Mutter bei ihrem ersten Anblick gedacht hat, frisch verheiratet zwischen luxuriösen ägyptischen Laken? Ob sie mit den Fingern darüber gestrichen und seine braune Haut zu glätten versucht hat?



S (Schweiß)  

Auf unseren dunklen Laken schläft mein acht Monate altes Kind. Unter seinem Kopf bildet sich eine kreisförmige feuchte Fläche. Wenn ich seine verfilzten, nassen Haare berühre, wundere ich mich, wie unverschwitzt ich selber bin, trotz der Hitze und der Luftfeuchtigkeit. Erst, als ich ein Foto von ihm mache und es mir ein paar Tage später noch einmal angucke, bemerke ich die Ähnlichkeit.


Mein Vater hat überall Schweißspuren hinterlassen. Auf dem Fahrersitz, wenn er auf dem Büchereiparkplatz auf mich gewartet hat, zuhause auf unseren Stühlen, an seinen Trainingsshorts, die er jeden Tag über das Holzgeländer gehängt hat. Jedes Mal, wenn er von seinem täglichen Laufen zurückkam, lief ihm der Schweiß in Strömen vom Gesicht. Ich erinnere mich, wie peinlich mir das war, wie abstoßend die Vorstellung, dass ein einziger Mensch so viel Flüssigkeit absondern konnte, ohne zu verdunsten.


R (Rücken)


Er hatte diese bauchige lachsfarbene Wärmflasche, ganz weich anzufassen, gefüllt mit kochend heißem Wasser. Ein Accessoire, das ich fast so häufig zu Gesicht bekam wie ihn selber.


Er brauchte es für seinen Lendenwirbelbereich und pflegte es dort zu vergessen, bis sich weiße, siedende Blasen auf seiner weichen Haut bildeten. Er ließ den Schmerz zu, um sich besser zu fühlen, eine Angewohnheit, die auch ich mir angeeignet habe.


Genau wie mein Rücken, sein Rücken, unser Rücken. Ich trage den Schmerz, diese spezielle Last, die denjenigen in den Rücken fällt, die in Bewegung sind.



A (Augen)

Er hat sich modischer 70-er-Jahre-Gestelle bedient, um sie zu schützen und zu korrigieren. Eine gegen die Sonne, eine für Gedrucktes und die andere für alles andere.


Viele Jahre später kehre ich nachhause zurück und suche danach. Ich finde sie in seinem Nachttisch, ungebraucht, nutzlos für Augen, die nichts mehr fokussieren oder erfassen.


Mir ist nie aufgefallen, dass sie etwas Besonderes sein könnten. Jemandem zu nahe zu stehen, kann mit sich bringen, dass einem bestimmte Details erst auf die Entfernung auffallen, als hätte es dazu meiner verschleuderten Jahre im offenherzigen Klima von Santa Monica bedurft, der Hollywood-Parties, der Uni-Zeit in Westwood.


Dabei sind sie blau, an den Rändern blasser und graustichig. In dieser Familie haben sie sich nicht durchgesetzt. Eine solche Seltenheit, dass unter den elf bekannten seiner Nachkommen nur einer sie geerbt hat. Ein Junge, auch er ein Womanizer, wie ich erfahre. 



T (Tennis)


Man nimmt mich auf den roten Sandplatz mit, um mir das Spiel anzugucken. Er trägt weiß, er gewinnt.


Die Tennisplätze auf unserem Grundstück sind Grasplätze, sie wölben sich unter der unablässigen Sonne und verbrennen.


Zehn Jahre später, gepflegte Vororte, ich bin in der 7. oder 8. Klasse. Ich fühle mich wohl in meinem Schulrock, kastanienbraun mit Taschen. Ich spiele. Überwiegend Einzel, genau wie er.


Wenn wir an den Wochenenden trainieren, hat er weiße Tennisbälle dabei, solche habe ich vorher noch nie gesehen. Dafür, dass ich 38 Jahre jünger bin als er, schlage ich mich gut. Auch er fühlt sich sichtlich wohl in seiner Rolle als Profi, der weitergibt, was ihm bedeutsam erscheint: Gewandtheit und die Notwendigkeit, beweglich zu bleiben. Ich nehme die Herausforderung an.

Aus dem Englischen übersetzt von Christine Koschmieder