[Sickles]

© Jayanta Mahapatra
Aus: Bare Face
Kottayam: D.C. Books, 2000
Audioproduktion: 2006, Literaturwerkstatt Berlin

Die flüssige Stadt

Die Stadt schwankte wie ein Schiff. Nein. Vielleicht brach irgendwo der Boden. Nein. Es war Schwindelgefühl. Abschied. Nein. Die Stadt war vielleicht aus Wasser. Wie überlebt man eine flüssige Stadt?
(Ich versuchte, mich zu halten wie ein Schiff)
Die Vögel wurden an den Türmen nass. Alles verdampfte: Glocken, Uhren, Katzen, der Grund. Haare verfaulten, und Blicke. An den Türschwellen reglose Fische. Stämmige Masten stützten die Wände der Dinge. Seeleute überfluteten Spelunken. Sie lachten laut auf dort oben auf ihren Schiffen. Keine Tür hielt ihnen stand. Die Leute fischten bei sich in den Häusern. Sie schliefen auf hauchdünnen Hölzern wie auf Flößen. Bekamen blaue Lippen vor Übelkeit und Kälte. Sie konnten nichts sehen. Liebten sich eilig am Abend. Aus Angst vor dem Tod. Die Stadt schien aus Kristall. Bewegte sich mit den Gezeiten. In ihr das Spiegelbild der anderen Küstenstädte. Wenn sie heranrollte, überflutete sie Gebäude, Straßen. Sie fügte sich der Welt hinzu. Versenkte sie. Ihre Bewohner starrten sie entgeistert an, starrten sich an. Sie starben an Eitelkeit und aus Mangel an Luft. Wer mitgerissen wurde, klammerte sich an das, was vom Innern der Häuser noch blieb. Fühlte sich schuldig. Fürchtete Strafe. Wie oft hätte man am liebsten die Seile der Stadt gekappt. Nun wurden sie fortgetragen von ihr, im Inneren einer flüssigen Stadt.
(Ich war genau dort geblieben, wo sie erschienen war) 

Übersetzung aus dem Portugiesischen: Odile Kennel