To A Sad Daughter

All night long the hockey pictures
gaze down at you
sleeping in your tracksuit.
Belligerent goalies are your ideal.
Threats of being traded
cuts and wounds
- all this pleases you.
0 my god! you say at breakfast
reading the sports page over the Alpen
as another player breaks his ankle
or assaults the coach.

When I thought of daughters
I wasn't expecting this
but I like this more.
I like all your faults
even your purple moods
when you retreat from everyone
to sit in bed under a quilt.
And when I say 'like'
I mean of course 'love'
but that embarrasses you.
You who feel superior to black and white movies
(coaxed for hours to see Casablanca)
though you were moved
by Creature from the Black Lagoon.

One day I'll come swimming
beside your ship or someone will
and if you hear the siren
listen to it. For if you close your ears
only nothing happens. You will never change.

I don't care if you risk
your life to angry goalies
creatures with webbed feet.
You can enter their caves and castles
their glass laboratories. Just
don't be fooled by anyone but yourself.

This is the first lecture I've given you.
You're 'sweet sixteen' you said.
I'd rather be your closest friend
than your father. I'm not good at advice
you know that, but ride
the ceremonies
until they grow dark.

Sometimes you are so busy
discovering your friends
I ache with a loss
— but that is greed.
And sometimes I've gone
into my purple world
and lost you.

One afternoon I stepped
into your room. You were sitting
at the desk where I now write this.
Forsythia outside the window
and sun spilled over you
like a thick yellow miracle
as if another planet
was coaxing you out of the house
— all those possible worlds! -
and you, meanwhile, busy with mathematics.

I cannot look at forsythia now
without loss, or joy for you.
You step delicately
into the wild world
and your real prize will be
the frantic search.
Want everything. If you break
break going out not in.
How you live your life I don't care
but I'll sell my arms for you,
hold your secrets for ever.

If I speak of death
which you fear now, greatly,
it is without answers,
except that each
one we know is
in our blood.
Don't recall graves.
Memory is permanent.
Remember the afternoon's
yellow suburban annunciation.
Your goalie
in his frightening mask
dreams perhaps
of gentleness.

© Michael Ondaatje
Published with permission of the author
Audioproduktion: Literaturwerkstatt Berlin 2010

An eine traurige Tochter

Die ganze Nacht blicken die Hockeybilder
herunter auf dich,
während du, in deinem Trainingsanzug, schläfst.
Kriegerische Torhüter sind dein Idol.
Drohungen, ausgetauscht zu werden,
Schnitte und Wunden
– all das gefällt dir.
O mein Gott! sagst du beim Frühstück,
während du über dem Alpen-Müsli die Sportseite liest,
schon wieder hat ein Spieler sich den Knöchel gebrochen
oder den Trainer attackiert.

Als ich an Töchter dachte,
habe ich etwas anderes erwartet,
aber so ist es mir lieber.
Ich mag alle deine Fehler,
sogar deine dunklen Launen,
wenn du dich von allen zurückziehst
und auf dem Bett unter einer Steppdecke sitzt.
Und wenn ich ›mögen‹ sage,
dann meine ich natürlich ›lieben‹,
aber das wäre dir peinlich.
Wo du dich doch über Schwarzweißfilme erhaben fühlst
(zu Casablanca mußte man dich stundenlang überreden),
obwohl du von Creature from the Black Lagoon
gerührt warst.

Eines Tages komme ich längsseits
zu deinem Schiff geschwommen, oder ein andrer wird es tun,
und wenn du die Sirene hörst,
gib auf sie acht. Denn wenn du deine Ohren schließt,
passiert bloß: nichts. Du wirst dich nie verändern.

Es ist mir egal, ob du dein Leben
für aufgebrachte Torhüter riskierst,
Wesen mit Schwimmhäuten an den Füßen.
Geh ruhig in ihre Höhlen und Schlösser,
ihre Labors aus Glas. Nur laß dich
von niemand anderem zum Narren halten als von dir selbst.

Dies ist die erste Predigt, die ich dir halte.
Du bist ›süße sechzehn‹, hast du gesagt.
Ich wäre lieber dein engster Freund
als dein Vater. Ich bin nicht gut als Ratgeber,
das weißt du; dafür reite ich
auf Förmlichkeiten herum,
bis sie schwarz werden.

Manchmal gehst du so darin auf,
deine Freunde zu entdecken,
daß es mir wehtut wie ein Verlust
– doch das ist Habsucht.
Und manchmal bin ich fort
in meiner eigenen dunklen Welt
und habe dich verloren.

Eines Nachmittags kam ich
in dein Zimmer. Du saßest an dem Tisch,
an dem ich das jetzt schreibe.
Forsythien vor dem Fenster
und die Sonne flutete über dich
wie ein kompaktes gelbes Wunder
als locke ein anderer Planet
dich aus dem Haus
– all diese möglichen Welten! –
und du warst über den Matheaufgaben.

Jetzt kann ich keine Forsythien ansehen
ohne Verlust, oder die Freude an dir.
Du trittst behutsam hinaus
in die wilde Welt,
und dein wahrer Hauptgewinn
wird die rasende Suche sein.
Wünsch dir alles. Wenn du zerbrichst,
dann zerbrich nach draußen, nicht nach innen.
Wie du dein Leben lebst, ist mir egal,
aber ich verkaufe meine Arme für dich,
hüte deine Geheimnisse für immer.

Wenn ich vom Tod rede,
den du jetzt sehr fürchtest,
dann ohne Antworten
außer der, daß jeder,
den wir kennen,
uns im Blut steckt.
Denk nicht zurück an Gräber.
Das Gedächtnis überdauert.
Erinnere dich an die gelbe
Vorstadtverkündigung des Nachmittags.
Dein Torwart
in seiner furchteinflößenden Maske
träumt vielleicht
von Freundlichkeit.

Aus dem Englischen von Simon Werle