Aleš Šteger 
Übersetzer:in

auf Lyrikline: 4 Gedichte übersetzt

aus: slowenisch, deutsch nach: deutsch, slowenisch

Original

Übersetzung

USPAVANKA

slowenisch | Aleš Šteger

Le še pet minut ti ostaja,
Dokler ne ugasnem luči.
Ker pesmi, ki si jo ves dan čakal,
Ni bilo, naštej za konec enostavno, kar je.
Torej: na mizi ležijo utrujene knjige,
Rastline so že zvile svoje liste in spijo,
Televizor šumi in na mizi frfota vešča,
Do smrti zaljubljena v luč.
Le še minuto imaš. Trideset sekund.
Sedaj sem gol in v postelji. Slišim te:
Deset, devet, toda - ali nisem nečesa pozabil? -
Šest, da, pet, pozabil sem na štiri,
Tri, toda sedaj je dva in je tudi za to
Prepozno. Lahko le še trdno zatisnem krila
In upam, da me ob nič prebudiš.

© Aleš Šteger
aus: Kaschmir. Gedichte. Slowenisch / Deutsch, übersetzt von Gerhard Falkner und dem Autor
Wien: Edition Korrespondenzen,
ISBN: 3-902113-10-3
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

SCHLAFLIED

deutsch

Also noch fünf Minuten,
Dann lösche ich das Licht.
Denn das Gedicht, auf das du so gewartet,
Das gibt es nicht.
Nur schlappe Bücher auf dem Tisch,
Der Pflanzen Blätter wie zum Schlaf gerollt,
Der Fernseher rauscht
Und eine Motte flattert auf dem Tisch,
Ins Licht verliebt bis in den Tod.
Noch eine Minute. Dreißig Sekunden.
Ich bin jetzt nackt, lieg hier im Bett. Ich höre dich:
Zehn, neun, halt – hab ich was vergessen? –
Sechs, ja, fünf, natürlich, vier,
Drei, doch jetzt schon zwei und nun auch
Dafür schon zu spät. Ich kann nur noch die Flügel anpressen
Und hoffen, dass du bei null mich weckst.

aus dem Slowenischen von Gerhard Falkner und dem Autor



© für die deutsche Übersetzung: Edition Korrespondenzen, Franz Hammerbacher, Wien 2001



aus: Aleš Šteger, Kaschmir. Gedichte. slowenisch-deutsch, übersetzt vo

punktierter himmel

deutsch | Nico Bleutge

die streifen der telegraphendrähte über dem skelett aus sandstein
die aufquellenden wolken hinter den hügeln
das einrasten der pupillen. der schräg belichtete horizont

die kühle der keramik an der oberseite der finger, der druck
der härchen gegen die serviettenringe, die perspektive
der übereinander gestapelten erinnerungen

der matte winkel der stufen, die schattige kerbe
eines treppenabgangs, überspannt von grauem draht
der die dächer ausstreicht, die schmaler werdenden veranden

das aufspritzen des reinigungswassers an den rissen des teers
die rostige färbung des efeus, die groben zuckerwürfel
auf den metallhäuten der fregatte im hafen, platte auf platte

fülle ich mit bildern für die zukunft, fülle und fülle
die aus dem bild gebrochene sichel des meeres und den kalk
in den fingerrillen, den sand und diesen blau angelaufenen himmel

© Verlag C.H.Beck
aus: klare konturen
München: Verlag C.H.Beck, 2006
Audio production: 2003, Literaturwerkstatt Berlin

punktirano nebo

slowenisch

trakovi brojavnih žic nad okostjem iz peščenjaka
oblaki, ki kipijo izza gričev
zaskok zenic. pod kotom osvetljeno obzorje

hlad keramike na vrhnji strani prstov, pritiskanje
dlačic ob obročke za prtičke, perspektiva
drug na drugo naloženih spominov

top naklonski kot stopnic, senčna zareza
nekega spuščajočega se stopnišča, čez njega je napeta siva žica,
prečrtane strehe, vse bolj ozke verande

pobrizgavnje vode za čiščenje ob razpokah v katranu
rjasta obarvanost bršljana, grobe kocke sladkorja
na kovinskih kožah fregate v pristanišču, ploščo na ploščo  

polnim s podobami za prihodnjost, polnim in polnim
iz podobe odlomljen morski krajec in apno
v vdolbinah prstov, pesek in to nebo, oteklo do modrine

prevedel Aleš Šteger

OREH

slowenisch | Aleš Šteger

Ostal si praznih rok in v rokah imaš oreh.
Sprva ga stiskaš in skrivaš kot kako čarovnijo,
Toda potem stisne vse tebe in veš, da moraš
Odgovoriti in s tem ubiti čarovnika, da bi preživel.
V središču oreha je jedrce, toda jedrce te ne briga,
Rešitev rabiš, ki je zapisana na notranjosti lupine.
Stiska je prehuda, zato stisneš prazno pest in ga zlomiš.
Oreh umolkne, počeni znaki postanejo nedoumljivi
In odgovor sfingičen, a skozi razpoke smukneš v notranjost
In poješ jedrce. Tako si izdolbeš prostor. Tako postaneš ti jedrce.
In jedrce postane ti. Ti počepne in čaka,
Da se lupina okrog njega zarase. Kot nekakšen fetus
Čepi in čaka in v orehu je vedno manj svetlobe
In vedno manj ran. Počasi lahko prične ti brati znamenja
In znamenja so vedno bolj cela.
Ti bere na glas, a ko pride skoraj do konca,
Se lupina zaraste in okoli ti se znoči. V temi ujeti ti sliši,
Kako iz cilindra skoči beli zajec z morilskimi sekalci,
Obstoji pred orehom in ga nepremično gleda.

© Aleš Šteger
aus: Kaschmir. Gedichte. Slowenisch / Deutsch, übersetzt von Gerhard Falkner und dem Autor
Wien: Edition Korrespondenzen,
ISBN: 3-902113-10-3
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

DIE NUSS

deutsch

Du bist mit leeren Händen ausgegangen – hältst nichts in ihnen außer einer Nuss.
Erst drückst du und umschließt du sie wie einen Zauber,
Dann drückt es dich und du weißt, du musst
mit der Antwort den Zauberer töten, um am Leben zu bleiben.
In der Nuss ist ein Kern, aber der Kern kümmert dich nicht,
Du brauchst die Lösung, die innen an der Schale steht.
Die Not drückt, daher drückst du die Faust und knackst die Nuss.
Die Nuss verstummt, die gebrochenen Zeichen werden unverständlich
Und die Antwort auf das Orakel. Durch den Knacks schlüpfst du ins Innere
Und isst den Kern. Du höhlst dir Platz aus. Du wirst der Kern
Und der Kern wird Du. Das Du hockt darin und wartet,
Dass die Schale wieder zuwächst. Wie eine Art Fötus
Hockt es und wartet und das Licht in der Nuss wird immer weniger,
Die Wunde immer kleiner. Langsam kann das Du die Zeichen erkennen
Und die Zeichen fügen sich immer mehr zusammen.
Das Du beginnt laut zu lesen, aber als es fast am Ende angelangt,
Schließt sich die Schale und um das Du wird es Nacht.
Das im Dunkel gefangene Du hört,
Wie ein weißes Kaninchen mit mörderischen Nagern aus einem Zylinder
Springt, vor der Nuss stutzt, sie reglos anstarrt.

aus dem Slowenischen von Gerhard Falkner und dem Autor



© für die deutsche Übersetzung: Edition Korrespondenzen, Franz Hammerbacher, Wien 2001



aus: Aleš Šteger, Kaschmir. Gedichte. slowenisch-deutsch, übersetzt vo

KAŠMIR

slowenisch | Aleš Šteger

Znašel si se tam, kjer ni črk ne številk.
Svetloba je presilna, da bi gledal, ali pa je noč.
Tukaj ni glasov. Le včasih kdo vzdihne,
In tedaj prične tisoč ust hkrati kričati
Ali recitirati kako neznano pesem.
Tukaj ni ne zidov ne predmetov, vsaj ti
Nisi nikoli naletel nanje. Tudi tal ni.
Kot da tvoje telo ves čas drsi skozi roj
Frfotajočih metuljevih kril ali skozi oblak dežja.
Včasih, ko zapiha tišina z neznanimi imeni,
Se ti zdi, da morajo biti tukaj še drugi,
Tebi podobni, a tukaj nikoli ne srečaš nikogar
Ali pa greš nevede skozenj in je to takrat,
Ko doživiš nekaj takega kot misel ali sanjo ali čustvo.
Včasih si imel še smrt in bilo te je strah.
Mislil si, da povsod lebdijo nagačene tigrove glave
In da drži vsaka med svojimi čekani eno izmed tvojih src.
Sedaj, sredi sitega režanja, veš, kaj je mir.
Čeprav greš in se vračaš, si zmeraj tukaj.
Kajti tukaj ni tukaj. Tukaj je
Kašmir.

© Aleš Šteger
aus: Kaschmir. Gedichte. Slowenisch / Deutsch, übersetzt von Gerhard Falkner und dem Autor
Wien: Edition Korrespondenzen,
ISBN: 3-902113-10-3
Audio production: 2000 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin

KASCHMIR

deutsch

Du bist nun angekommen, wo es weder Zahlen noch Buchstaben gibt.
Entweder ist das Licht zu grell, um etwas zu erkennen, oder es ist Nacht.
Kein Laut. Nur Seufzer hie und da,
Dann schreien Tausende von Mündern auf
Anstelle des Gedichts, das keiner kennt.
Wände oder Gegenstände gibt es nicht, zumindest bist du
Auf keine gestoßen. Auch keinen Boden.
Es ist, als glitte dein Körper durch einen Schwarm flatternder
Schmetterlingsflügel oder durch eine Regenwolke.
Manchmal, wenn durch die Stille ein fremder Name weht,
Scheint dir, als wären noch andere hier,
In ähnlicher Lage, aber keiner von ihnen begegnet dir,
Oder du schreitest durch sie hindurch, ohne es zu wissen; es ist dann,
Als würdest du einen Gedanken, einen Traum oder ein Gefühl erleben.
Früher, als du noch einen Tod hattest, hattest du Angst.
Überall schienen ausgestopfte Tigerköpfe zu schweben,
Die mit ihren Fangzähnen eines deiner Herzen zerrissen.
Heute aber, mit einem genüsslichen Grinsen, weißt du, was Friede ist.
Obwohl du weggehst und zurückkommst, bist du immer hier.
Weil hier nicht hier ist.
Hier ist Kaschmir.

aus dem Slowenischen von Gerhard Falkner und dem Autor



© für die deutsche Übersetzung: Edition Korrespondenzen, Franz Hammerbacher, Wien 2001



aus: Aleš Šteger, Kaschmir. Gedichte. slowenisch-deutsch, übersetzt vo