KRISTINA KALLERT 

Übersetzer:in

Einmal abgebrannt, schlägt keiner mehr Flammen.
Ich reise nicht.
Ich habe einen Tisch, eine Insel, habe in sie einen Fluss geritzt mit
   gestürztem Stamm:

von seinen Ufern branden Rufe heran und das ist Poesie.

Gedichte von den Hütten der Gartenkolonie,
Gedichte wie Revolutionsfanal, an den Rändern bebt Schluchzen.

Am liebsten habe ich die, die einfach vom Komplizierten sprechen,
dann die, die einfach von einfachen Dingen erzählen.

Hundert Jahre leben und nur einen Tag sterben.
Den Gipfel erklimmen und abwärts gleiten,

fallen wie ein durchgelaufener Schuh.

Heute weht eigentümlicher Wind, der Rücken ist schlaff.

Die Möwe trägt ein Gedicht im Schnabel, es zittert
und eine Flosse spitzt vor, kirschrot.

Der Junge, zögerlich winkt er, ein Zug fährt an.
Ich überdenke den heutigen Tag, was ihn unterscheidet?
Vielleicht, dass ich vom Kometen gelesen.

Manchmal kehrt ein Komet nicht wieder.

Ein Rucksack, buntfarbiger Raubvogel, trägt eine Schülerin fort.
In der Bahnhofshalle zwei verlassene, ohrenspitzende Taschen.
Hinter beschlagener Scheibe senden Mädchen einander Rauchzeichen
   zu.

Von hier ist die Brauerei zu sehen, das im Dock ankernde Schiff.
Menschen aus der Wüste tragen Verlegenheit in die Halle.

Fast siehst du sie nicht durchs Bahnhofsfenster, zwei heidnische
   Göttinnen –
eine hustet der andern Feuer in das Gesicht.

Wieder am Ufer entlang, alles hier kenn ich und bin es nicht mehr, 
   die Ferse treibt in den Sand,
doch sie gehört mir nicht mehr, was gehört mir? Habe ich etwa keinen
   Anspruch auf die Berührung des Lichts?
Sich beulender Beichtstuhl des Morgens, der Leib weiß und sucht, 
   kennt den Zug unterm luftigen Hügel des Grabs,
wo in blauer Explosion Straßenbahnpärchen erwachen, wo in den Wind
   Limonade schäumt,
wo die Umstellhebel der Stadt ihre Arbeit tun.

Ich stieg nicht in die schlafende Metro, nickte hie und da in ihr ein,
Sah die großen, zinnernen Klauen eines unbekannten Depots,
barmherzig abgeschlagen mein Kopf überm Kleiderkorsett, Zličíns
   Aluminium schrillt mir im Hirn.

Mit Nahen des Frühlings träumten von uns mehr, immer mehr sich
   aus Holz,
hinter geschleiften Häusern streiften wir durch Gerüche, unweit brachen
   Wurzeln und Schauer herauf,
wir sollten nicht sein und waren, und sehr interessierten uns
die Beschwerlichkeiten der Kleider, die muffigen Künste des Ausziehens.

Bis in meinen Karton verfolgten sie mich und ich beschimpfte sie
   auf Papier.
Dämmerung gratis, bestechliche Gläser, Ringlos, rund, aufreizend
   wie der Po selbst,
ein prallgepresster weiblicher Berg.

Das Lächeln aus der Küche, wo fließt es hin? Nur sacht geküsst hat mich
   deine rostende Scham
und das untere Fleisch drängte zum buttrigen Schaff. Unterdessen
   versteinerte der Planet. 
Was für ein matter Leib ist das, der da in späten Schuppen liegt?
Was verstehe ich unter dem Stern des Treubruchs?

Den Sommer lang hangelt’s das haarige Bein hoch mit Lippen geschlitzt
   von Ohr zu Ohr, 
mit so entsetzlich blauer Gewalt wie Etagen von Leibern auf einer
   Schaukel, wie Leiber, die sich stapeln in den Schuppen der Gärten.
Sekunden, in denen ich leer und salzig schlucke, wo ich mit Händen
   das Rohr schürfe, durch das die Äpfel der Stadt jagen. Wird’s Sommer? 
   Und wer ist es, der fragt?

Der Sommer duftet nach Fleisch, in Hütten ausgelegt fault es, dort will
   die Haut nackt sein,
die Riesengießkanne des Sommers, ich aber verbrachte die Zeit
   in ersprießlichem Innern.
Du warst aus Salz, deine Riste voll Hirschtalg, die Augen ganz Glas und
   Röcke, herrlich zu ziehen,
Datschenlicht, metallen kalte Hähne flüstern
in Sommertiefen, der Atem konnte die Illustriertenschöne eines einzigen
   Tages nicht fassen.

Sonntag. Versilbertes Haupt. Die Stadt – ein prächtiger Katafalk treibt
   in eine verschneite Halle, entschlummert,
von allem war es zu viel, zu viel Tagesnotizen, Geschichten, 
   hineingestopftes Papier, Gekritzel aus dem PC.
Wer schläft in dir ein, wer hält an der Schnur den Schmerz eines
   wehen Zahns,
während sich nasser Schnee gemach in die Lungen senkt.
Noch ist Sonntag, doch bald wird der Montag seine Meißel einstoßen.

Wieder am Ufer entlang. Mit Rinnspuren des Regens im Mauerlehm. 
   Mit der ankernden Seife der Dampfer.
Dein Zimmer ist eine feucht gesogene Karte. Licht schmettert her
   von der Küche, schwindet fern hinter weggeschobene Höfe,
wo Spatzen Schatten erzeugen, wo irgendwer unterm Abtreter
   inständig zwitschert.
In den Straßenbahnen sprießt gelbe Watte und die Hände dort üben
   für eine größere Portion Wärme.
Schnellzüge ankern an grauen Barrieren. Die Tauben, Jahr um Jahr
   träger, dreister – Klatsch.

Ich speie gemeines Metall auf die Verkäufer der Stadt. Durch die Mitte
   der Nacht zischt eine weggeworfene Zigarette.
Läufer, geblendet vom Staub der an den Ecken beulenden Kämpen.
Von Hitze müde gewordene Wannen, Fahrstühle und Treppenhäuser, 
   die in den letzten Stock
raffgierig grauen Kehricht scharren. Schwer wurde unterdes der Planet
   und versteinerte,
nichts galt ihm das Mädchen mit der lichtlodernden Suppe,
nichts der Klecks des Weltalls, der eben die Kehle hinabglitt, 
   gleichgültig blieb der Planet.

Ereignisse, festgehalten in der Schrift brennender Schmeißfliegen. 
   Köpfe, Atem schöpfend in den Hinterhof-Einsamkeiten
mit ihren abgeladenen Aschenkübelkolonnen. Der Leib, sein Leid
   fühlend, wandelt sich zu gleichgültiger Masse.
Straßen verstaubter Fische. Straßen bräunlichen Schweißes.
Das Gedicht, wenn es mich erreicht, ist schon tot. 
   Das Alter des Sandes bestimmen.

Libeň in brüchigen Behausungen. Zähes, Feuchtes. Sichöffnen der Poren.
Mädchen zittern entlang der Wände, leergeschlagene Hütten
   voll Morgenschluchzen und Blech, 
Ströme flüssiger Butter auf Schenkeln. Rücken schmiegen sich, 
   Bewegung im Kreuz.
Verteidigung kahlt. Durch meine Ärmel strömt Luft.

Ich sehe die blauen Kaskaden der Plattenbauten am Grund des Libeňer
   Leibs.
Sehe die leeren Reitschulen gefüllt mit verlassenen Polizisten.
Sehe Kaffee lumineszieren in der Straße unter der Palmovka, sehe
   den Lichtstreif Bier,
wir waren in gelbe Därme geschlüpft, hatten ausgehalten darin
   die ganze Nacht.
Die Liebe brach aus auf Korridoren. Sparkassen. Trübe Terrarien, 
   Hirne und Hintern.
Ich verfiel, doch ich konnte den Trug nicht zügeln.
Frühling kam. Libeň erwachte und trieb durch.
Libeň meldete sich
mit durchschwitztem gusseisernen Hirn. Libeň kam zu sich und blakte.
In Libeň wurde das Licht geboren. Uns blieb das Morgenporzellan.
Urin, der durch neblige Köpfe klirrt. Frühling – ein Kübel Lava.
Auf den Spiegeln des Frühlings, in den öligen Dämpfen der Auslagen.
In den kahlen Kronen der Bäume.
Den wilden Jagden der Straßenbahnen westlichen Ländern entgegen.

Manchmal sehe ich dich im Kronkorken eines Biers, in letztes Gras
   geworfen.
Manchmal auch weiß ich von dir nicht und nicht von mir, überlasse mich
   ganz dem Getändel der Stadt.
Unterdessen hast du dich in aufgeschobene schlafende Gärten
   geschmeichelt.
Vom ersten Augenblick an habe ich dich geliebt, ich wollte, dass mir
   eine Zigarette im Rückgrat schrillt.

Tritt ein in den Frühling, nicht ohne Tinkturen, auf dass Libeň sich fülle
   mit Ajatin.

Ich weiß schon, dein Rock ist aus Butter. Du kommst vom Bahnhof,
Stufen stürzen dir entgegen, Nebel setzt sich zu deinen Füßen,
du lehrst die Stufen lieben, lehrst, wie man bleibt, lehrst, wie ein
   feiner roter Fluss in Kellern erwacht,
lehrst, Glas zu vergessen, lehrst den Schotter zu körnen und über
   Hände zu fließen.

Unterdessen versteinerte der Planet, als wären uns im Eingeweide
   Spätkirschen vergärt.    

Ich trat vors Haus.
Die Stadt – ganz still.
In einem Laden kaufte ich Bleu,
der Verkäufer, er hieß Haddád,
sagte, heuer würden die Eidechsen
zurückkehren in heißere Länder.
In seinem Kopf gewannen die Iraner bereits Plutonium.
Ich strich mit der Hand über den Bordstein,
stellte die Flasche aufs Mäuerchen
und wälzte im Mund den Geschmack,
wälzte, was ein platzender Laut verwandelt
zu weißer Substanz auf der Zunge.
Fetzen porigen Stoffes überschwebten
die Pfütze in der Petersburger Straße,
der letzten im Weltall.
Ich sah ein Mädchen winken mit rotem Tuch,
welch befreiende Geste,
die Parallelen der Straßen aber blieben klebrig und grau.
In der Wohnung aß ich den Käse,
sah aus dem Fenster, las Zeitung.
Subcommandante Marcos lebt angeblich gut
zwanzig Jahre in Prag,
Linke Jugend verbirgt ihn in Wohnungen,
die heimlich miteinander verbunden sind.
Die Luft wellte und der Tag körnte Information
und das Arom eines Sicherheitschecks.
Im Fenster sich beulende Läuferinnen,
hinterdreinjagende Prädatoren.
Blut rann vom Mundwinkel des Weltalls  
und ein Tropfen schlug auf dem Gehsteig auf.
Über die Treppen hoch stiegen Armeen,
Möbelpacker und andere
sonnendurchstrahlte Skelette.  

Mehr und mehr schöne Jahre kürzen dein Leben ab,
Du gehst die lange Straße, die Hosen sind dir knapp,
dein Hemdsaum weht hintan.
Gehst die Allee, die lange, und Vögel fliegen mit.
Bist ein Chirurg vielleicht vor seinem ersten Schnitt,
in Motol wartet man.
Bist vielleicht auch ein Postler, schiebst in die Kastenritze
pralle Kuverts, Zahlschein oder die rasche Skizze
eines verborgnen Baus.
Vielleicht bist du Verkäufer, stehst hinter deiner Kasse, 
wiegst in den Händen Fischchen und dazu Gold in Masse,  
der Chef hat’s längst heraus.
Etwas wie Grund, worauf dein Anker fährt.
Dickicht, das vielleicht Raum gewährt 
oder ein dunkles Lindern.
Gib dich ironisch, was Zärtliches sag auch,
sei nett zu deiner Frau, und sauf und rauch
nicht vor den Kindern.

An meinem Geburtstag kamst du zurück
als schönstes Geschenk
aus diesem Anlass
ließen wir unser Haar schneiden

Und schenke uns Friede auf Erden

Ich fütterte dich mit Leckerbissen
das waren die letzten Weihnachten
im November

Und schenke uns Friede auf Erden

Ich gieße deine Parte
auf dem verwüsteten Tisch
Jahr ohne Kalender, die Selbstschrift erkenne ich
in der Unzahl automatischer Korrekturen 
 
Und sage dich nicht von uns los

Meine Kindheit: ich stehe am Fenster, weine, würde gern hinaus zu den anderen, muss aber Violoncello üben. Rechts von mir stürzt ein Bunker aus Decken ein.
Mein Studium: Wir singen einen Choral in den Bänken des Wahlfachs, ich merke, dass wir mit diesem Kollektivauftritt etwas bewegen, vorstoßen. Ich bin Teil eines starken Bildes.
Themenwechsel ist eine der besten Erfindungen.
Zimmerblumen zum Beispiel. Ich habe eine Pflanze mit lustigen Blättern gekauft, sage Libuše zu ihr, sie steht am Fenster, und ich bin nicht überrascht, als ich feststelle, dass sie ficus lyrata heißt, denn die fleischigen Blätter erinnern in ihrer Form an ein Musikinstrument. Mami, ich sollte üben.

In der kahlen Wüste des Nordkapps
sammeln wir Stücke von Muscheln
von Vögeln zerpickt
sprießen sie auf steiniger Wiese
wie Preiselbeeren.

Ins maunzende Libeň
liefert die Navigation
nur stinkigen Splitt
Fragmente vom Ende der Welt
taugen nicht zum Export. 

Von Inari bis Ierapetra
Europa gesehen – provokante
Erinnerung an sich selbst.

(Mancherorts könnte ich 
auf den ersten Blick
die Regionen verwechseln.)

Doch da ist der Palmgyros und unter ihm
reichen Frauen soeben noch sehr kleinen Töchtern
das Oberteil des Bikinis.

Und hier wieder spricht der Fels:
„Bin stets derselbe. Daher gefall ich 
dem unsteten Mensch.“

„Wenn die Natur dich nachlädt,
warum erscheinst du dir komisch?“
fragen die Freunde
vom Spaziergang zurück.

Wasser stürzt stetig gleich
auf den Stein, an Hängen
mit Humus reift
des Tales diskrete Zeit.

Aus der Höhle aber tritt
der inspirierte Poet,
das sich küssende Paar,
der Mörder hier aus der Schule.

So bleibt das Unbegreifliche
sich selbst untreu
immer ertappt
wie in flagranti.

Wo war ich, als die Kastanie ausbrach?
In irgendeinem Museum. Einzig die schwere Tasche
mein Anker: Straßenkreuzer.

Hier geboren, drei Meter tiefer gestorben.
Des Meisters Schach, die Brille, ja schlimmer noch,
die unangenehme Vettel im Eck. Deine Nächste.

Oder während des Ausflugs: Eintagsnomade.
Regen eilte heran wie eine zierliche Kellnerin.
Des Hochgebirgs Spitze ragte wie ein Dogma.

Alles prüfe der Mensch – meinten sie das je ernst?
Besser meid ich die Glut, den schrecklichen schwarzen Herd,
wandelt das Haus im Gebirge er 
freundlich mir auch zum Heim.

Besser Eigenes träumen, der Geschichte entrissen,
den Boden treten von Kartoffel und Hirse,
als sich verbrennen lassen 
in irgendwes zernichtendem Wunder.

Ich weiß, wie es endet, ich sehe sie schlendern,
sehe den Rand des Abgrunds, den Tod des Geschlechts
wie eine nicht erledigte Pflicht.
Nicht wir, die Zeit trägt alles davon.  

Du Gott, geschmiedet wie je vom Hebzeug unsrer Nöte
an eines der letzten Stadien Leichtigkeit,
heil den Kopfschmerz, den wir hier
neugierig uns verschafften.

Oder prüfe den Herd, den Kamin, den Boden,
ob sie wie früher standhalten dem Druck
fremder Anstöße und Synthesen,
von Feuchte, Mäusedreck, Käfern und Rost.

1984 bis: ich bin ein Mensch der Grenzen.
Die Stadt geteilt durch zwei Staaten.
Was ist und ist nicht zu sehen. Die Hure
will mich überreden. Ob ich wirklich

nichts will. Nichts, obwohl ich später
dran denke. Ich will diese Grenze
nicht zu leicht überschreiten. Mir war
bang. Gewisse Grenzen bestehen.

Dem einen Teil fehlt das Herz und
er stirbt. Spielhallen, sonst nichts. 
Der Begriff Hájek als solcher
ist nicht eindeutig, er hat folgende 

Bedeutungen.

Du streckst die Hände aus dem Kinderwagen. Dann gründest du einen Verein
der den guten Namen der Karls-Uni trägt. Der Verband
hat soeben unter der Linde die Statuten gebilligt und zur Patronin
erkor er sich Blanca von Valois. Dann fiel Schnee.

Immerzu stapelst du Fotografien, Dokumente des Vergehens
bemessener Zeit. Manchmal befällt dich eine Müdigkeit
des Erklärens. Dann handelst du eine Weile. Andenken
bewahren lange den ersten Glanz; auf einem Foto

streckst du die Hände aus dem Kinderwagen. Du bist Absolvent eines Namens
vielleicht maturierst du aus deinem Selbst. Verleumdungen musst du
riskieren. Du stellst dich auf Zehenspitzen, unter dir ein Berg,
im Gedächtnis süßes Geschwätz von unendlichem Wachstum.  

wie wär’s, wenn du’s einmal tust statt mir
wie wär’s, wenn du’s einmal tust statt mir
denk drüber nach
ich spüre es schon
die dinge setzen sich
in bewegung
schön langsam
bröckelt es
wie wär’s, wenn du’s einmal tust statt mir
denk drüber nach
damit die dinge
sich
in bewegung setzen
damit alles anfängt
zu bröckeln
wie wär’s, wenn du’s einmal tust statt mir
wie –
wie wär’s, wenn du’s einmal tust statt mir
denk drüber nach
 
in der zukunft

wenn 
er ruft
geh ich
 
ich muss 
wenn 
 
jetzt wenn 
weiß ich
dass ich
muss
 
wenn 
er ruft
gleich
denk ich mir 
komm schon 
 
wenn 
er ruft 
 
werd ich starr
geh schon

komm

kaum los gleich dann
ruft er an
hat den schlüssel nicht
 
und der schlüssel ob der
nicht etwa bei ihm sei
auf dem Tisch
 
Klar dass der
schlüssel da war
und also er
 
nochmal her
schlüssel holen
nochmal los
 
gleich dann
ruft er an
hat den schlüssel wieder nicht
 
der läge wohl
irgendwo
zwischen den gebäuden
 
klar war der schlüssel
nirgendwo jetzt
ist der schlüssel
 
schlicht nicht.

Ich muss dort hin
also geh ich
aber

ich ja kann nicht
weil
ich ja

mit dir
auf die andre
Seite mit dir
das

auf die andre
Seite dreh ich das
auf die andre Seite

weil
mit dem verrenkten  
Fuss ja

wozu da noch einen
Tanz drum machen was
ich

nein kein Gips
Orthese
auch nicht
lieber kratz ich ab das

dreh ich das auf
die andre Seite das

dreh ich das
auf die andre Seite
mit dir

Übernehmen Sie das für mich
Übernehmen Sie das für mich
fahren Sie hin
fahren Sie hin statt mir ich bitt Sie
ich hätte mich da drauf nicht
nichts als Betrug das
bringt mir rein gar nichts
nichts nur verlorene Zeit
fahren Sie hin statt mir
fahren Sie hin statt mir ich bitt Sie
Sie können, zum Beispiel, nach Tunis,
zum Beispiel, hieß es: in einer Woche steigt Tunis!
Ich also fahr mit dem Bus über Prag
nach Wien von Wien den Flieger nach Tunis
in Tunis eine Stunde per Taxi ins Gabes
kam auf die Sekunde an, reingeflitzt,
an die Wand irgendein Diagramm projiziert
ein englisches Rezyklat referiert
hatte zum Glück zufällig zeitgleich
was zum Verbraten bekommen
von einer Regierungstante
dann haben noch ein paar Leute geredet
keine Ahnung worüber keine Ahnung dann
ans Buffet und dann ins Bett  
und am nächsten Tag aus dem Gabes
aus Tunis über Wien aus Wien über
Prag mit dem Bus wieder zurück
und jetzt hock ich hier
und weiß nicht was wann zuerst
sehen Sie diese Stapel da?
sehen Sie diese Stapel da?
wäre ich nicht nach Tunis gefahren
ich könnte mit diesen
Stapel längst fertig sein
und in zwei Wochen Belgien
wollen Sie nicht nach Belgien?
Nehmen Sie doch das Belgien
fahren Sie! fahren Sie!
immerzu irgendwo
mal Tunesien dann Belgien
oder Italien Türkei Griechenland Dänemark
Holland ja auch Kolumbien Chile Australien!
und überall ein und derselbe Raum
und überall ein und dieselben Leute
die kenn ich alle nur
wegen dem hier da
rede mit ihnen auf verschiedenste Art mit Händen
Füßen in gebrochenem Englisch
ich reise meist in der Nacht
verpenn die gesamte Fahrt
und weiß nicht wo fliege ich hin
weiß nicht was ich sage
dann komm ich zurück
sitz hier und ich sag mir
worauf hab ich mich da
worauf hab ich mich da warum?
beim Buffet neulich
hat sich einer zu mir gesetzt
so ein Italiener fett
völlig verschwitzt nervös
dass er nichts versteht nicht weiß
was der Sinn dieser ganzen Sache ist
da haben wir dann gesessen wie
zwei uralte Kameraden
gesoffen gegessen
das ist einfach so
dass jeder weiß
dass er nichts weiß und
jeder tut als wüsste er doch
aber ich sag euch
eines Tages gibt’s eine
Riesen aber so eine Riesenscheiße
wann weiß nicht
wann weiß keiner
kann morgen sein
oder auch in zehn Jahren
wer weiß
aber ich bitt Sie
übernehmen Sie das für mich
übernehmen Sie das für mich ich bitt Sie
fahren Sie statt mir irgendwohin!

vielleicht ist das weil
das ist da blockiert
im Genick

oder von der Gefäßentzündung
damals
die ich nicht ausgeheilt hab

ich hab schrecklich lebendige Träume
ich hab viel lebendigere Träume als andere Leute
ich weiß wenn ich mich auf die rechte Seite leg   
dann werde ich was träumen
und wenn ich vorm Schlafen nicht lüfte
hab ich Träume schlimmer als jede Wirklichkeit
dann sag ich mir immer
o leck, lüft halt!

einmal geh ich so
übern Flur zur Tür
und plötzlich springt mich was an
hat einen Mantel schwarz wie
ein Abfallsack und in den Pratzen
hält es ein schwarzes Band
und meine obere Lippe ist schon überklebt
und es will mir grad an die untere
und ich brüll hau ab oder ich!
und hol aus zum Schlag 
aber die Hand saust durch
durch nichts in diesem Entsetzen
bin ich erwacht

saß auf meinem Bett in der Garsoniere
und hab auf dem Herz so ein Drücken gespürt wie im Leben noch nie
und dabei ist mein Blutdruck perfekt und auch mein Cholesterol
neulich bei der Kontrolle haben die mir gesagt
Sie stecken die Jungen glatt in die Tasche weil
ihr Blutdruck ist super und auch ihr Cholesterol
die Zwanzigjährigen können Sie darum beneiden!

vielleicht war es einfach weil
es war nicht gelüftet
wenn ich vor dem Schlafen nicht lüfte
oder nicht auf der richtigen Seite lieg
dann sag ich mir oft, ich würd vielleicht nie mehr erwachen,
wenn dem das damals geglückt wär  
mir die Unterlippe zu überkleben

was weiß ich

wie soll ich da bitte was ausschreiben
wenn diese Tunesier nichts tun
wie soll ich da bitte was ausschreiben
wenn diese Tunesier immer nur schwätzen
schwätzen und schwatzen
hätten längst die Curricula schicken sollen
wie soll ich denn da eine Stelle besetzen
für die Bearbeitung dieser Curricula
wenn ich keine Curricula habe
wie soll ich da bitte was ausschreiben
wie?

keiner weiß ob diese Tunesier
überhaupt wissen was sie da schicken sollen
keiner weiß ob diese Tunesier
überhaupt irgendwann irgendwas schicken wollen
keiner weiß ob diese Tunesier
überhaupt wissen was ein Curriculum ist
das geht so was von voll in die Hose sag ich
so was von voll in die Hose
dass könnt ihr euch gar nicht
denn wenn die Tunesier
keine Curricula liefern
und natürlich liefern sie keine

entsteht da

ein Riss

da hinter dem stuhl
da wo der stuhl steht ja
da im eck hinten geh
da hinter dem stuhl
drunten unter der uhr
da im eck hinten geh
da hinter dem stuhl
da findest du einen plastiksack
da ja den nimm
den nimm
 
aber pass auf

für mich ist der eine null ist der
nicht mal nen karren nen eignen
nicht mal nen karren hat der
hör auf das was ich sag
hör auf mich hör
 
dass du ihm nicht
den karren wenn du ihn siehst
dass du ihm den nicht leihst
dass du ihm nicht den
karren leihst wenn du ihn siehst
den leihst du ihm nicht den karren
 
hör auf das was ich sag
hör auf mich hör
den karren wenn du ihm leihst
den siehst du nie wieder den karren
nie wieder siehst du den nie!