Steffi Chotiwari-Jünger 

Übersetzer:in

Schwach beleuchtet ist die Großstadt heut’,
Die Straßen sind verwegener,
Jeder ist jedem sein Busenfreund,
Jeder ist jedem sein Gegner.

Dort, wo man keinerlei Neues kennt,
Wird man nicht mehr glücklich werden,
Dort, wo man lediglich Wahrheit nennt,
Aber nicht weiter weiß auf Erden.

Dort, wo Wunsch ist nach Veränderung,
Hat niemand bedacht selbstredend,
Man hat keinen Durst nach Leben,
Jedoch eine Karte nach Eden.

Schatten sind es, die überall wandeln,
Sinnlose Kreis-Linien eben,
Dort, wo man sollte schnell handeln,
Tötet man einfach das Leben.

Dort, wo es niemals heller wird,
Sucht man in der Nacht Almosen,
Wenigstens die Luft stellt nicht ab,
Luft, rechtzeitig Luft zum Stoßen!

Dich ich liebte mit den gleichen Gefühlen,
Wie die Welt, wie das Licht, wie die Kindheit,
Die mit den Jahren in mir verblassten,
Zusammen mit dir sich entfernten geschwinde.

Alle Ruhe sah ich von mir schwinden,
Ich umging jedoch Gefahren und Streiche,
Ich dich liebte mit dem gleichem Empfinden,
Wie die aufgehende Sonne das Erdreich.

Du hast sämtliche Türen geschlossen,
Mich nicht ein Mal hinein gelassen,
Ein Verdacht – tausend Ehemänner genossen
Im zerknautschten Bett – ließen mich erblassen.

Einmal wird Gott nach Hause kommen
Im blauen abendlichen Gewande,
Ganz allein wirst du stehen, beklommen
Und dich in mich verlieben ganz plötzlich.

Ganz erstaunt öffne ich meine Arme
Und willst du mich irgendwann empfangen,
Werde ich schrei’n wie Schiffe im Schwarme,
Wie weiße Schiffe, wenn sie ans Ufer gelangen.

Als wär ein Stern vom Himmel gefallen –
Als Lichtstreif auf die Erde zu allen
Hernieder sinkend als wie Gedanken

Er fühlte Fülle und wurde Körper
In den ungleichen und fremden Behälter
Des Menschen trat er und wurde gestälter.

Zunächst als ein Kind, dann als Jugendlicher,
Und auf der Hälfte des Weges, des lichten
Wurde er Mann, weil er ganz sicher

Auch Männlichkeit besaß, bald man anordnete
Ihn zu kreuzigen und Geheimhaltung forderte,
Denn gar niemand auf dieser Welt fordert

Die Todesstrafe, außer den Leuten,
Was ist er wert - man auch bedeutet,
Gott wollte das so, auf ihn deutend.

Man lastet ihm an all die vielen
Torturen, Leid, Qualen und Schwielen
Um zu „rechtfertigen die eignen Ziele“,

Sie tragen seinen Namen, die Schuld’gen
Auch jetzt duldet er, wie er erduldet
Als Blut vom Kreuze tropfte, verschuldet.

Als man Gott tötet, schlief er im Schweben
Noch drei Tage lang im Jenseits,
Was nicht nur der Geburt und dem Leben,

Auch dem Tod hat seinen Sinn gegeben.

Zwischen uns lediglich Straßen liegen
Und in den Höfen noch Biegungen,
Deren großen Bäume in der grünen
Zeit in dein Fenster blicken, sich biegend.

Als ob sie im Rascheln würden suchen
Die eigenen Schatten, deine Wohnung
Auch auszukundschaften versuchen,
Wenn’s dämmert und du willst ruhen.

Und dies jede Nacht, und jeden Morgen
Geht zwischen uns beiden auf die Sonne
Und das geschieht so ruhig und sorglos
Wenn wir sie gewahren, dann nur mit Wonne

Leider will ich immer wieder kommen
Fort von meinem Hof, meinen Wegen,
Meiner Straße, aber dieses Warten beklommen
Machte mich schlapp, kann mich nicht regen.

Im Frühling, wenn aus irgendeinem Grunde
Du jemanden plötzlich liebst und leidest,
Dann liebst du nicht – der Frühling gibt seine Kunde
Er berührt das Herz, der Frühling weidet

Sich an demjenigen, der ich nie war, niemals.
Zwischen uns waren mit Gefühlen
Und vollem Ernst nie getrennt die Wäsche
Und das Bettzeug, einzig die kühlen

Menschenlosen Straßen zwischen uns liegen
Und in den Höfen noch Biegungen,
Deren großen Bäume, die grün sind
In dein Fenster schauen, sich biegend,

Und jetzt, da die Frühlingszeit anbricht
Führen die Straßen mich fort wie getrieben,
Ich beschuldige die Straßen, nicht wissend,
Schreibe ich Gedichte oder liebe ich dich wirklich.

Schon wieder verfluchte ich das Gedächtnis,
Schon hatte ich deinen zarten Leib vergessen.
Die nasse Straßenampel, wie verächtlich,
Bestrahlte nachts die Einsamkeit unterdessen.

Ich schlief nicht ein, obwohl ich der Liebe versagte,
Alte Akkorde erzählten etwas, so schien es.
Später ich kalt meine Gefühle verlachte,
Werd` nie wieder trinken, verstand ich, niemals.

Die Straße ist im Dunklen wie im Schweben,
Wie sich doch die Figuren der Häuser wandeln,
Auch ohne dich ist so wunderschön das Leben,
Werd` dich nicht mehr anschaun noch mit dir bandeln.

Wenn hinter Meeren wieder ein Meer ist,
Wenn die Katze in der Sonne die Sonne ansieht,
Wer sagt es mir endgültig, was es ist,
Entweder Treffen und/oder Abschied?

Frauen sich stets die Haare färbten,
Und träumten vom Kinderkriegen,
Nachts sie nach den Prinzen darben,
Tags sie sich in Schweigen wiegen.

Frauen sich stets die Haare färbten,
Trockneten Blumen im Tagebuch,
Himmelsfarbe und Gedichte liebten,
Amüsierten sich wie im Bilderbuch.

Es ist ungewöhnlich,
Leise zieht deine Winterszeit,
Jemand gähnt bei der Bibel – dem ungewöhnlichen Buch;
Es ist ungewöhnlich,
Wenn für dich der Sensenmann steht bereit,
Dass du das Leben von vorn zu beginnen versuchst.
Es ist ungewöhnlich,
Dass selbst Gewitter wurden zur Seltenheit,
Und du begreifst nicht, was man Hoffnung für alles genannt,
Es ist ungewöhnlich,
Derart verläuft die Winterszeit,
Du hast nicht ein Mal den reinen Schnee gefühlt und bestaunt.

… eine Frau tropfte auf die Bühne,
Dann eine zweite, dann noch die dritte
Und wie auf dem Wasser schaukelten die Kreise
In das Parterre, grüßten die Mitte…

Die Küste ist ohne Seelenbalsam…
Mit Unwettern, von der Sonne zertreten,
Der Körper schwingt, wenn es ist Salome,
Der Schein des Johannes ist nicht zu sehen.

Selbst die Möwen schwingen nur am Ufer,
„Es gibt Wellengang“, sagen Touristen,
„Ich hole für dich die Sonne“, so ruf ich
„aus dem Wasser“, mich für dich verpflichtend.

Aber am Ufer wird verfolgt Logos,
Salomes Grazie blüht verteufelt,
Auf dem Meer stirbt langsam die Sonne,
Wie der abgeschnittene Kopf des Täufers.

„Oh, meine Sonne“- dieses Troubadoures
Wortbedeutung - „o sole mio!“
Hinübergerufen wie das Lied Naduri:
„O sole mio!“
Und Salome
Bringt das Herz und nimmt mit sich die Seele
Deine Salome, meine Salome,
In der Küche ist  ´ne große Matinee,
Mal ist Do gleich Sol, mal Sol auch Me,
Zuverlässig ist mein altes Schreibheft:
„Grüß dich, o Sonne, o Veilchen, Salam,
Diese Küste ist ohne Seelenbalsam
O Sole mio! Oh, Salome…“

Das umkippende Nass trägt wie Frauen
Sand mal hin, Sand mal her auf dem Pegel,
Manchen die Leidenschaft schaukelt am Wasser
Manchen die Seele mit gesenktem Segel,
Auch dies Ufer ist ohne Seelenbalsam,
Und sole mio! Und Salome…

Gib mir `nen Gruß oder eine Schelle,
Auf das müde Gesicht, beim Wegdrehen,
Oder sei mir ewig Seelenbalsam,
Gib mir das Grab, auf Wiedersehen!

Oder singe mir kurz deine Arie,
Vielleicht öffnen sich alte Wunden,
Die Blätter verwirrten und verwahrten
Und mit einem Gewitter waren verschwunden.

Ich blättere im Heft der vielen Tränen,
Das vor langer Zeit wurde geschrieben,
Wenn du schwingst Körper und Mähne
Auf den Königshof oder Straße getrieben.

Versucht sich jemand das Leben zu nehmen
Oder im feuchten Keller zu zechen,
Mit beiden Armen am Kreuze lehnend,
Um am Pfaffenrock zu hecheln.

Ich wollte nicht mit dem Worte spielen,
Verbrauche das von dir gereichte Leben,
Ich möchte es im Glücksspiel verlieren
Und dich einem schlichten Kaufmann geben.

Ich denke an den trunkenen Herodes.
Das mit deiner Grazie geworfenen Lasso
Möchte dich als Unheil legen auf Zero,
„Dreh dich, tanze, wirf es!“
Möchte ich rufen den Garçon.

Wenn ein Dorn der Seele nicht schadet,
Verspreche ich Georg `ne Opfergabe,
Gebe frei die Wege der Karawanen
Und nutze den Dolch von Vaters Vater.

Will über dich die Wahrheit verfassen,
Schreiben, was war, auch was ich erstrebte,
Wirf mein Licht auf die Wasserkaskaden
Und ich übersprudele die kleinen Sterne.

Du bist die Sahne meiner Gedanken
Und über dich zu schreiben ist Schicksal,
So schreie ich mit schwellenden Adern:
„Freiheit, dem schmutzigen Medium-Spektakel!“

Du bist und bist auch nicht, derweil du dastehst.
Du bist Stein und seine Stimme und ähnelst
Einem hohen Gebet, das du kundtust
Und während du dem Körper entschwindest
Bist du so groß, derweil du dastehst
Bist du Gestaltung, Gestalten gestaltest
Himmlichen Inhalts, den du begraben hast
Im Schoß deiner Tiefe, bis zur Auferstehung.
Auferstehung ist all deine Bestrebung,
Deren Leichnam bist du und Verkündung
Des Augenaufschlags, durch deine Gründung.

Der Leib verschwand, es regiert ein andres Zeitmaß.
Er glaubt nicht mehr der Silhouette der Leidenschaft.
Es gibt keine Ecke mehr und kein Gleichmaß.
Es sind Erscheinungen, Erscheinungen.

Es gibt keinen Durst mehr, keinen Hunger.
Es gibt kein Unwetter mehr und kein Wetter.
Weder Hass gibt es, auch keine Liebe.
Keinen verrückten Wind, keine Sonne.

Es gibt keinen Tod mehr und kein Leben.
Weder Zeit, noch Tat. Auch keine Eile.
Kein Jammern erklingt mehr, auch kein Lachen.
Nur noch Stille. Nur noch Stille, Stille.
Der Leib verschwand, es regiert ein andres Zeitmaß.
Er glaubt nicht mehr der Silhouette der Leidenschaft.
Nicht dem hellen, nicht dem dunklen Lichtmaß.
Es sind Erscheinungen, Erscheinungen.

Der Laut eines Schritts zerstört der Häuser Stille,
Das fahle Licht, die nasse Pflasterstraße,
Die Liebe war verloren in der Zeit, der schrillen,
Mit Schatten und Laub übersäte Nebenstraße.
Die Spur des Herumtreibers ging Richtung Himmel,
Wo die falsche Furchtsamkeit der Erde endet,
Er liebte eine Frau und sieht kein Glücksgebimmel,
Nicht mit ihr, auch nicht im Wunsch vollendet.
Er sah Träume, oft und immer wieder mit Wunden,
Wenn er nüchtern war, schien er mir wahrzusagen,
Obwohl er das Schlimmste bereits überwunden,
Wollte er seine Identität nicht offenbaren.
`ne andre Zeit ist, fühlt er, sie ist auf Wegen,
Auch das Volk ändert sich in der Vielfalt der Mode
Und er wünschte sich nicht mehr zu bewegen,
In der Breite und Länge unserer Erde.
Er hielt es nicht aus, auf dem Fleck zu marschieren,
Keine Beschwerde, kein Vorwurf wollt’ rufen,
Denn er ging im mittleren Himmel spazieren,
Er ging hoch da oben und schuf neue Stufen.

Eine Frau ist eine Grenze, wahrlich
Grenzlosigkeit indes ist das Alleinsein,
das ist alles oder es ist Wahrheit,
oder ausgedacht, um sie zu jagen.
An den Türen wir vorüber gingen,
an vielen Löchern, alten Büchern.
Wellen sind des Meeres Sprache, Stimme,
Stille – das sind gleichsam weiße Felder.
Was wollen uns die Glocken sagen,
die vom Morgen läuten, so proklamen,
kommt heraus, wahrscheinlich, sie uns sagen,
aus eurer Wohnung, aus eurem Rahmen.
Kommt heraus, zerstört die Grenze,
Findet eine Frau, den Klang und Farbe,
Das ist alles oder es ist Wahrheit,
oder sonst wird überhaupt nichts farbig.

Unter Freunden trank er keinen Tropfen,
Den Augenblick der Einsamkeit erhoffte,
Er ging zur Tür, nahm auf die Kappe,
Zehn nach drei er in den Morgen tappte.
Als Grund erdachte er die eigne Reise,
Der Schritt ihn lenkte auf diese Weise;
Junge Leute nach dem Bahnhof fragte,
Er wolle fahren, man es ihm sagte;
Er nannte es immer und überall Protest
Sein komisch geschaffenes Selbstporträt.
Er schaute des Zuges großen Räder,
Und ersehnte sich nur leere Wege.
Die Stirn er an die Scheibe legte,
Als sich ein zarter Regen regte.
Gedanken kamen ihm beim Warten,
An jenes leere Bett, im Warmen.
An die stille, alte Kate, wo er wohnte,
Die er liebte, wo ihm jedoch Überdruss drohte.
Wird eine Rückkehr für ihn denn taugen?
Wie Schuppen fällt es ihm von den Augen,
Quälen wird ihn stets der Wunsch nach Rückkehr,
Dann wieder der Weg und die Erwartung.

Stell keine Fragen,
ich ließ alle
ohne Antworten…
Stell keine Fragen,
ich blicke auf
Vögel und Bäume.
Ich empfinde, lebe,
hinterlass mir nicht
allein Fragen
zur Erinnerung an Dich.
Bleibe doch bei mir,
bestätige mir,
dass ich nicht feig bin!..
Die ganze Welt,
diese Welt ist
feig ohne mich.
Bleibe doch bei mir,
schau mir ganz kurz
in die Augen,
bleib, bitte, bleibe.
Opfere mich nicht allein
Für die Legende!...

1

Etwa zehn Generationen meiner Vorfahren
und etwas weniger – der Nachkommen
spiegeln sich wahrscheinlich im Blut wider,

aber ich weiß nicht wie ich leben soll,
wie ich beschreiben und wie ich empfinden soll
diesen so gelben Herbst,

der jeden, Teil für Teil zerstreuten Verdacht sammelte
und sagte: alles beginnt von vorn,
wie immer, mit dem Welken.

2

Einen Guten Herbst wünsche ich.
Ich  kann stundenlang am Fenster sitzen
und fühlen, es ist unmöglich über etwas zu schreiben.

Einen Guten Herbst wünsche ich, o mein Leben,
meine immer wechselnde, meine unfassbare,
meine und nicht meine Existenz,

Ich kann stundenlang am Fenster sitzen,
ich kann mir einen Herbsttag draußen vorstellen,
ich kann mir vorstellen dass es draußen warm ist.

Ich kann mir vorstellen, drei Mädchen kommen,
das Herz fühlt jedoch: von ihnen ist eine
meine Geliebte, und die zweite ist

meine Geliebte, die dritte jedoch ist
auch meine Geliebte. Ich kann mir vorstellen,
nicht anders schreiben zu können.

Ich kann mir vorstellen,
einen Guten Herbst wünsche ich,
nicht anders schreiben zu können.