Remo Fasani 
Übersetzer:in

auf Lyrikline: 4 Gedichte übersetzt

aus: italienisch nach: deutsch

Original

Übersetzung

Eco del monte

italienisch | Remo Fasani

Appari! grido, Appari! alla montagna,
che senza fine lungo i giorni e il tempo
da me volge lo sguardo e resta sola.
Appari! la montagna mi risponde...
E questa voce non è ancora spenta
che già torna invincibile il silenzio
e l'orma antica pasce sulle rocce.


Note:
Versi suggeriti da un passo di Meister Eckhart:
"E' come se, ritto di fronte a un'alta montagna, uno gridasse
'Sei là?'. L'eco gli risponde 'Sei là?'. Se grida 'Appari!',
l'eco risponde 'Appari!'".

© Remo Fasani
aus: Un altro segno: 1959-64
Milano: All'insegna del pesco d'oro, 1965
Audio production: H.Strunk / M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Echo des Berges

deutsch

Erscheine! rufe ich, Erscheine! zu dem Berg,
der endlos durch die Tage und die Zeit
von mir wegsieht und einsam bleibt.
Erscheine! gibt der Berg mir Antwort...
Und diese Stimme ist noch nicht verstummt,
als schon das Schweigen gänzlich überwiegt
und auf den Felsen nährt die alte Spur.


Ins Deutsche übertragen von Remo Fasani


Bergesecho

Zeig dich! rufe ich, Zeig dich! gegen den Berg,
der endlos alle Tage durch die Zeit
seinen Blick von mir abwendet und einsam bleibt.
Zeig dich! ruft der Berg zurück…
Und diese Stimme ist noch nicht verklungen,
da kehrt unerbittlich das Schweigen zurück
und die uralte Spur grast auf den Felsen.


Aus dem Italienischen übersetzt von Verena von Koskull


L'allarme

italienisch | Remo Fasani

Tu che cammini per diporto
in mezzo al bosco, fermati un momento:
vedi gli alberi morti e moribondi.

Guarda i fantasmi grigi, monchi,
mummificati da un tenace musco:
non ignorarle, le funeste insegne.

Poi getta un urlo e fuggì pure:
ritorna in mezzo agli uomini, i dormienti,
dai, forse è ancora tempo, dai l'allarme.

© Remo Fasani
aus: Un luogo sulla terra
Bellinzona: Casagrande, 1987
Audio production: H.Strunk / M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Der Alarm

deutsch

Der du gehst zur Erholung durch den Wald,
bleib’ stehen eine Weile: Sieh die Bäume,
die sterben und die schon gestorben sind.

Betrachte die ergrauten,
vom zähen Moos mumifizierten Stümpfe:
Uebersiehe sie nicht, die Todesbilder.

Dann schreie auf und flüchte nur vor ihnen.
Kehr' wieder zu den Menschen, den Verschlafenen:
Schlage, vielleicht reichts noch, schlage Alarm.

Ins Deutsche übertragen von Remo Fasani


Der Alarm

Du, der du zum Vergnügen
durch den Wald spazierst, halt kurz inne:
sieh die toten und sterbenden Bäume.

Schau dir die grauen, verstümmelten Geister an,
von zähem Moos mumifiziert:
ignoriere sie nicht, die unseligen Zeichen.

Dann stoß einen Schrei aus und suche das Weite:
kehre zurück zu den Menschen, den schlafenden,
und schlage, denn vielleicht ist noch Zeit, Alarm.


Aus dem Italienischen übersetzt von Verena von Koskull


Sera alpestre

italienisch | Remo Fasani

Una luce di vino
brucia sul filo delle nevi
e sulle rocce un brivido è sospeso.

Viene la notte,
poi viene il vento che ubriaco
urta le vecchie case
e si arrovella ancora in fondo ai sogni

Già su tutte le balze
aleggia la vertigine,
un falco stride lungo l'aria vuota.

Note:
V. 2, "filo": orizzonte (della montagna)

© Remo Fasani
aus: Senso dell'esilio: 1944-45
Poschiavo: Edizioni di Poschiavo, 1945
Audio production: H.Strunk / M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Abend in den Bergen

deutsch

Ein Licht wie Wein verglimmt
auf dem verschneiten Bergkamm,
ein Schauder überläuft die Felsen.

Es kommt die Nacht,
und dann der trunkne Wind,
der an den alten Häusern rüttelt
und noch im Innersten der Träume zürnt.

An jeder Felswand
hängt schwindlig schon die Dämmerung,
ein Falke kreischt den leeren Raum entlang.


Ins Deutsche übertragen von Remo Fasani


Abend in den Bergen

Ein weinfarbnes Licht
glüht auf den beschneiten Graten
und über den Felsen schwebt ein verhaltenes Schaudern.

Die Nacht zieht auf,
dann kommt der Wind, der trunken
gegen die alten Häuser stößt
und sich ruhelos bis tief in die Träume flüchtet

Schon streicht der Schwindel
über alle Hänge,
ein Falke ruft durch die leere Luft.


Aus dem Italienischen übersetzt von Verena von Koskull


[Aperta la finestra...]

italienisch | Remo Fasani

Aperta la finestra,
sentii il vento. Soffia quasi sempre
in quest'alto paese,
di cui è l'anima e il messaggio.
Ma la mattina presto
è ancora calmo e solo a poco a poco
si leva lungo la giornata,
poi decresce e si posa verso sera,
dà luogo al mito della notte.
Oggi invece è già forte
al nascere del giorno:
lo vedo come curva gli alberi
e immette nelle cime la sua onda,
il suo moto oceanico.
Ché anche il vento, in questa valle aperta,
è aperto senza fine:
spira tra cielo e terra
e viene da lontano e va lontano.
E oggi con la sua segreta
animazione parla di una cosa
che chi sa dove accade
nel vasto mondo: una rivoluzione,
un gran risveglio, un misterioso evento.

© Remo Fasani
aus: II vento del Maloggia
Bellizona: Casagrande, 1997
Audio production: H.Strunk / M.Mechner, literaturWERKstatt berlin, 2003

Der Maloja-Wind

deutsch

Das Fenster aufgemacht,
spürt' ich den Wind. Er bläst fast immer
in diesem Hochland,
von dem er Seele ist und Botschaft.
Aber am frühen Morgen
ist er noch still und nur allmählig
erhebt er sich tagsüber,
dann flaut er ab und legt sich gegen Abend,
gibt Raum der Nacht und ihrem Mythus.
Heute hingegen weht
er kräftig schon bei Tagesanbruch:
Ich sehe ihn, wie er die Bäume biegt
und in die Wipfel seine Welle
und ozeanische Bewegung einhaucht.
Denn auch der Wind, in diesem offenen Tal,
ist endlos offen:
Er weht hier auf der Erde und im Himmel
und kommt von fern und geht ins Ferne.
Und seine unerwartete Belebung
bringt Kunde nun von etwas,
das irgendwo auf dieser Welt geschiet:
Von einem Aufstand, einem Neu-Erwachen,
einem geheimnisvollen Vorgang.


Ins Deutsche übertragen von Remo Fasani


Am offenen Fenster

Am offenen Fenster
lauschte ich den Wind. Er bläst fast immer
in diesem hoch gelegenen Flecken,
dessen Seele und Botschaft er ist.
Doch früh morgens
ist er noch flau und erst nach und nach
erhebt er sich über den Tag,
dann nimmt er ab und legt sich gen abend,
gibt dem Geheimnis der Nacht Raum.
Heute aber ist er schon
bei Tagesanbruch kräftig:
ich sehe ihn, wie er die Bäume beugt
und sein Wogen die Wipfel durchspült
wie ozeanisches Treiben.
Den auch der Wind in diesem offenen Tal
ist endlos offen:
er weht zwischen Himmel und Erde,
kommt von weither und geht in die Ferne.
Und heute erzählt sein heimliches
Regen von etwas, das
wer weiß wo in der
weiten Welt passiert: eine Revolution,
ein großes Erwachen, ein rätselhaftes Ereignis.


Aus dem Italienischen übersetzt von Verena von Koskull

Ins Deutsche übertragen von Remo Fasani bzw. von Verena von Koskull