Andreas Koziol
Portrait des Abends als naives Zeitgespenst VIII
Nimm noch eine nächste Nachtgeschichte -
Auf der freien Seite einer Häuserzeile
Biegt sie um die Ecke völlig ahnungslos
Daß ihr bald Eselsohren im Gefolge wachsen.
Sie sieht aus als kommt sie aus dem Kino.
Steinig ist ihr Heimweg von den Sternen.
Draußen hält sie inne und ihr Bildnis
Wie an eine Wand geworfen wispert:
Alles kannst du aus mir machen alles.
Das klingt nach einem Scherz der Finsternis
Der zu müde wirkt um sie herauszureißen
Aus der Anonymität wie einst Mynona.
Doch ich werde sie für alle Fälle Ella nennen.
Wie sie geht allein ist unbeschreiblich.
Lautlos streift sie mich ein Rauch mehr nicht.
Ich weiß daß etwas Schwarzes in ihr drin steckt,
Ein Meer der Schwermut meinem Kiel vielleicht.
Es rauscht heran und bauscht sich weiblich auf.
Singt vor sich hin das wär noch festzuhalten.
Dann ist es fort und dort wo es grad war
Liegen Tortenreste auf dem Trottoir.
Schade um den schönen Schatten aber
Wo sie herkam scheints noch mehr zu geben.
Sind auch Menschen dran na um so besser.
Ich ziehe Menschen vor aus Überzeugung
Und aus Berlin weil das Gedicht hier spielt.
Vor lauter Menschen kann der Liquidator allen
Traums vom Glück für alle kaum noch treten.
In Trauben hängen sie am Holz der Tische
Mondlicht sammelt sich in Sonnengläsern
auf den Nasen der berauschenden Gesichter.
Der Wein der Widersprüche reift in Übungskellern.
Ein stetes Klopfen höhlt den Stein der Weisen.
Ein guter Tropfen mag dies Loch kaum stopfen.
Wer dauernd anstößt wird um keinen Deut reeller.
Denn alles Fleisch ist Glas und will erhoben sein
aufs Wohl und Weh des Schnees von Pol zu Pol.
Und ein Spezielles auf den Schmelz der Cinderella.
Sie sitzt im Schatten aufgezogner Prinzreklamen,
ist wie ein Leierkastenmädchen angezogen
und starrt erbsengroße Löcher in die Luxusasche
von für Geschäftsideen entflammten Leuchtbuchstaben.
An ihrem Augenhimmel steht ein Regenbogen,
der sagt: 'die Zeit der Tränen ist vorüber'.
Und die Tauben sagen: 'Goldene Äonen,
leckt uns am Es mit griechischen Lektionen,
mit Kataklysmus und mit Ekpyrosis.
Wir wollen checken wo hier etwas los is!'
Doch das Blei in meinen Gliedern sagt: 'zisch ab!
Sei doch kein Schizo hier auf gasförmigen Gleisen
die sich galant und lax in Galaxien dehnen
für die der Abgrund dir zu Füßen nichtmal gähnen
geschweige denn mit Glanz sich rüsten würde
für einen Luftsprung über seine Sternenhürde.
Darum gestatte mir, du Strolch der Heldengesten
einen Dolch zu schmieden aus Geschmeidigkeiten.
Daß dein Herumgezücke einen Draht erhalte
und deine Heldengeste man elektrisch lade
zu einem Staatsempfang der spannendsten Geschichten.
Und jene die vom Leben hohler Formen gehen
die schaff mir bei - daß ich mit viel Plumbum
aus deinem Fuß ins menschenförmlich Leere schieße
- denn eben dieses ist das große Forschungsfeld
für Frosch und Prinzen in der Unterwelt der Füße.
Nimm Platz und Krone, faß den Schlag in dein Gedicht
nicht als Erklärung einer bleiernen Regierung auf,
die nur das Märchen vom besonderen Soldaten braucht,
sondern nimms als Beat und neues Taktgefühl
fürs nächste Nachtmillenium und Milieugewühl
voll von Minusknackern und von Leuchtschriftstellern.
Rauche, strahle, warte - und entfern dich nicht
wie ein sarkastisches Gedicht aus Menschenfleisch
das möglichst nach dem letzten Schrei gekleidet ist
ins Schweigen einer knochenhellen Nachwelt. -
Ich buchstabiere länger schon mein heißes Eisen
Als jene Couchkartoffeln dort von Storytellern
Die sich lesen wie die Zukunft aus den Eingeweiden
Hinterrücks herumgebrachter Einkaufszeiten.
Du kannst dem Zucker raffinierter Konsumriesen
nicht den Trauermarsch des toten Affen blasen.
Beim Verduften der poetischen Jahrhundertrose
(schiens nicht als wären alle Blumen abgehauen?)
war es ja auch nicht fein, ihr hinterherzurasen
wie ein sich Knall und Fall verflüchtigender Reim
auf die Morgenluft im Haar von Trümmerfrauen.'
Ja so beschwerte sich das Blei in meinen Füßen.
Es war so recht in seinem Element.
Doch ich kam nicht mehr so richtig mit.
Fand die Nacht im Grunde wunderschön.
Stand auch gar nicht mehr auf Speed und Dynamit.
Rauchte Orient und machte Analysen
vom silenischen Metall an meinen Füßen.
Es war aus Hundekot und Weinlaub oder Lorbeer
und überhaupt zum Davonlaufen.
Trotzdem ließ ich alles mal so stehn.
Ein paar Straßensänger, aus auf Nervenraub
Schlagen Gassenhauer schräg in Gästehälse.
Groschen fließen, Bier und Cocktails klappern
Und die Ferne die in vielen Augen schimmelt
Riecht nach Globus und nach Schlachtasyl.
Ich verschütte leider meine Grüne Wiese
Weil ich Zeitungsschmetterlingen folgte.
Hier ist alles etwas anders als woanders.
Und dieses Etwas hat das ungewisse Etwas,
wenn nicht sogar das siegessichre Nichts.
Jeder Zauderer will hier verzaubert werden.
Jeder Besen möchte was besondres sein.
Noch der Bürgersteig fühlt sich vom Glanze
Bunter Kneipenlichter plötzlich scheingeadelt.
Kein Wunder daß er obendrein der Straße
Weil sie ihm untergeben ist die Kante gibt.
Das finden alle hier ganz angemessen. Ella auch.
Nur der Rinnsteindrachen neben meinen Füßen
Wiegt betreten seine alten grauen Katzenköpfe.