Christian Lehnert
[nativitas 1]
[nativitas 1]
nativitas, dieses wort wie zusammengewehte töne
hoher glocken würde genau über das durchlöcherte
holz passen, in wachs gestrichener lufthauch
der hügel, die höhlung umgebend, in der eine frau
erschöpft schläft unter nachgedunkelten
ziegen, die abgeblätterte
steinkrippe mit dem kind und der gebetsnische
einer anderen zeit, all dies in erdfarben
auf einer gewölbten ikone, atemstöße,
vorsichtige, sich wellende, nässende
finger, die auf etwas jenseits der erhaltenen
fläche weisen, über ausgekratzte
gesichter, irgendwelche nackten beine, rumpflos
auf einem weg ins leere, so unbekannt
wie wir uns selbst, weiter nichts,
sind diese figuren,
ganz voll von unsichtbarem, flecken,
die bis in die netzhaut reichen, uns
mit ihren augen nachgehen, rissen
in der maserung, der zick-zack-jagd
in den strichen fortgesetzter
übermalungen