Christian Steinbacher

Hälfte des Tätärätätä

Sprache: deutsch

Hälfte des Tätärätätä
(Vitalritzen)

Aus dieser Tageshälfte wird
wohl nichts? Nein, heute nicht mehr. Wie?
Na ja, ich meint doch nur. Ja, siehst
auch müde aus. Obwohl mir schier
dazu kein Grund wär heut. Versteh,
da wird’s wohl nichts mit Grüner Klee
und Zweigauftun mit dir, ich seh.

In aller Früh sogar mein Zeh
wirkt abgestoßen, voller Schmier,
nicht anzuschaun, defekt, kapiert!
Nimm doch heraus, dem Schuhwerk dir,
das Einlag-Trumm. Darum weiß ich
doch selber. Und? Nein, nein, nein, nein,
ich meint ja nur, hab Dank für dei-

nen Ratschlag. Und drauf morgen gleich
legst Gurken auf im Bad. Du meinst,
das hilft? Na klar, macht frisch. Nun ja.
Geh, schau, du bist doch wieder da,
bist ausgerichtet, also klag
nicht mehr, lies ein Gedicht von da,
lass angeklungen sein den ab-

gebrochnen Abend, finde Schlaf

Christian Steinbacher

Foto © gezett.de

* 13.05.1960, Ried im Innkreis, Österreich
lebt in: Linz, Österreich

Christian Steinbacher, geboren 1960 in Ried im Innkreis, lebt seit 1984 in Linz. Er ist nicht nur Autor, sondern maßgeblich auch als Kurator, Herausgeber und Vermittler tätig. 1994 bis 2000 edierte er das Blattwerk, seit Ende der 1980er-Jahre konzipiert er Literatur-Veranstaltungen (u. a. „anagramm 88“, Ottensheim/Linz 1988; „Drehpunkte zwischen Poesie und Poetologie heute“, gem. mit Thomas Eder, Alte Schmiede Wien 1999/2000 und 2005 erstmals die biennal stattfindenden Poesie-Tage „Für die Beweglichkeit“ in Linz).

Foto © gezett.de

Steinbacher schreibt Gedichte, poetische Prosa, Essays und Hörstücke (etwa Die Gondelfahrer, Regie: Renate Pittroff, ORF 2002) und realisierte auch Textinstallationen sowie Sprech-Auftritte im internationalen Feld der poésie sonore.

Er begann sein Arbeiten im Umfeld visueller und konzeptioneller Poesie und versuchte später eigenständige Formen zu entwickeln, die „auf ganz eigentümliche Art zwischen Abstraktion und Konkretion changieren“ (so Florian Neuner). Auch Petra Nachbaur hebt ein Changieren hervor, und zwar das zwischen Sprachschwall und Formbewusstsein, in dem diese Texte eines zwischen Konzept und Lust hin- und hergerissen zu scheinenden Autors ihr Publikum erwischen. „Was so leichtfüßig daherkommt ist das Ergebnis eines Kalküls, das sich immer als ein poetisches zu erkennen gibt und nicht in plumper Regelhaftigkeit erstarrt“, schreibt Wendelin Schmidt Dengler zu Steinbachers Arbeiten. Und Thomas Eder notiert zu den Gedichten des letzten Bands Zwirbeln, was es hält: „Steinbachers Gedichte geben Auskunft von der Möglichkeit der umfassenden poetischen Existenz auch neben einer inner-sprachlichen, die von der Überhöhung des Dichterischen bis hin zum Patzen und Klecksen reicht, zwischen poèsie pure und den alltäglichsten In-die-Schrift-Rettungen eines verkaterten poète maudit vermittelt“, und: „Nach einer frühen Phase seiner Dichtung, die im Nachhang zum Konkreten die Eigengesetzlichkeit des Sprachmaterials ergründet hat, ist es der jüngeren und jüngsten Dichtung Steinbachers darum zu tun, präsentative Redeformen in repräsentative Schriftformen überzuführen. Ich meine damit, dass die einzelnen (und vor allem der Alltagssprache ähnlichen) Sprachwendungen in Steinbachers Gedichten repräsentativ sind im Sinne von ‚typisch und als einzelne charakteristisch für eine große Menge von vergleichbaren Sprachhandlungen’. Stand in der frühen Zeit das Verhältnis der Sprachzeichen zueinander, mit einem damaligen Modewort: die Selbstbezüglichkeit der Dichtung, im Mittelpunkt, so kehren im Zwirbeln, was es hält das Bezugnehmen auf autobiographisch Erlebtes und dessen sprachliche Überformung in der gebundenen Rede in die nach-konkrete Dichtung zurück.“

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