Armin Senser
In Erinnerung: meine Großmutter
In Erinnerung: meine Großmutter
Jeder hat seinen Knacks und du hattest deine. Soweit
ich mich erinnere, war dein Haar nicht weiß
für den Siebenjährigen aus der Schweiz,
sondern Blickfang und über jede Scheinheiligkeit
erhaben. Aber auch solche Fakten
bröckeln. Und Haare spalten sich. Zudem ist Achtung
oft Eigengewächs. Vor allem in diesen abstrakten
Jahren permanenter Vergangenheitsbewältigung.
Ansonsten war es Sommer. Davor
wuchsen die Kinder im Krieg auf,
den sie mit sich schleppten wie die Handarbeiten
des Führers aus anderen Zeiten.
Danach gab dir dein Sohn ein Zuhaus.
Soweit ich mich erinnere, trugst du einen Nerz,
eine Stola und Kalbslederhandschuhe.
Morgens putztest du die einzige lokale Telephonzelle.
Und nachts ließ dein Schnarchen, das sich ausspricht,
niemanden in Ruhe, vor allem nicht deine Seele.
Es war Sommer, soweit ich mich erinnere. 70 vielleicht
oder später. Du warst auf irgendeine Kirche geeicht,
während ich einem Strauch zuviel von seinem Geäst abschnitt.
Das Leben beginnt tatsächlich so: mit
dem Blick auf ein eigenes Werk, auf eine Offenbarung, ein Erschrecken.
Womit ich mich bei dir für meinen Überlebenskampf eindecken
konnte. Für dich wurde er zur Anklage, auch als ich Konserven
für uns kaufte und sie wieder in den Laden
zurückbringen mußte. Ansonsten war dir nichts vorzuwerfen.
Nach meiner Abreise flogst du nach Acapulco zum Baden.