das gedicht ist tot, aber davon weiß es nichts
ein staatsbegräbnis wird abgehalten, auf einem 1000-loch-golfplatz
werden blüten auf seine lider gestreut, ein paar tränen obendrauf
die mal ein grieche, mal ein indianer
und mal ein seehund weint
das epitaph verfasst man in orakelschrift*, auf latein
jeder mensch mit zwei beinen sieht, das gedicht ist endlich tot,
es trägt ein leichenhemd aus schwarz und gold
und hat im mund ein lächeln versteckt
grashüpfer leben, eidechsen und schmetterlinge auch
alles, was kriecht oder fliegt, ist am leben
dinosaurier und grundschüler auf ausflug im zoo
im frühling, die kleinen bäuche voller milch
der papst lebt, er sitzt im flugzeug nach afrika
afrika lebt
auch roboter der 9. generation werden leben
das gedicht ist tot, aber davon weiß es nichts
und träumt, mit allen verstorbenen, schwangeren und kindern
im himmel fallschirm zu springen
in der hölle raketen zu zünden
auf den straßen der dritten welt einen marathon zu laufen, mit kugelsicherer weste
bei der beerdigung bemerkt ein kind, wie das gedicht unter den lidern die augen bewegt
da es seine hornhaut allerdings gespendet hat
wird es den eigenen tod niemals sehen
*Die älteste bekannte Form der chinesischen Schriftzeichen, die auf sogenannten Orakelknochen aus der Shang-Dynastie (1600–1000 v. Chr.) gefunden wurde.