dein schnee ist nicht mein schnee. mein schnee
liegt im hof. frühmorgens geh ich raus und sehe,
dass der boden bereits voller hundespuren ist –
man kann ihn daher nicht mehr mit weißem papier vergleichen,
er erinnert vielmehr an ein nicht ganz absichtlich, aber spontan
improvisiertes landschaftsgemälde unseres hunds.
warum es ein landschaftsgemälde ist? ich für meinen teil
sehe da berge, und einen fluss; und zwar das emei-gebirge
und den minjiang-fluss, und außerdem kräuselnden nebel,
und eine große schönheit, die im fluß ihre seide wäscht.
möglicherweise findest du, das sei ziemlich weithergeholt.
das bin ich allerdings auch. und weißt du was? ich kann
sogar noch weiter herholen und behaupten, dass man
ein philosophisches traktat im schnee lesen kann;
es handelt sich dabei weder um kants vernunftkritik
noch um kierkegaards philosophie der existenz,
sondern um eine philosophie der flüchtigen zeit – hast du
diese erfahrung schonmal gemacht: dass man etwas
unverwandt anstarrt, und es trotzdem verschwindet,
ohne das kleinste geräusch. genau das ist es, was jetzt passiert:
vor nicht mal einer stunde bin ich rausgegangen, und jetzt
ist die hälfte des bodens schon wieder aufgetaucht – aus dem irgendwo,
zurück ins hier. vielleicht ist mein schnee gar kein schnee,
sondern etwas, das mir zeigt, wie dinge verschwinden,
und was verschwinden bedeutet.