Lutz Seiler
Translator
on Lyrikline: 15 poems translated
from: الفرنسية, الايطالية, الانجليزية to: الألمانية
Original
Translation
La lettre sous la langue
الفرنسية | Georges Castera
Je t’écris pour te dire
que je vis à fleur d’encre
dans une ville de béton armé
On tire lamentablement dans ma rue
Dire et déjà trop dire
le bonheur sous chloroforme
Qui habitera avec nous
cet espace mensonger
l’incertitude de ce pays
aphone à force de faire des promesses
à des bonheurs sans complices
à des rêves de plein jour
et de plain-pied ?
Déjà l’ellipse
ma main coupée en deux
Il faut trancher
Je suis un homme
qui du rebord piégé de la lune
et du rebond de la lettre
et du piège de l’esprit
appelle la folie
devant la mer en ruine
et puisqu’il te faut un récit court
celui des fous derrière la porte
des lapsus
ou des masques allumés
qui font un bruit de poulie
dans les os
je t’écris pour t’apprendre
que j’ai longtemps parlé avec les poings
serrés
pour ne pas crier avec
l’horizon qui fait naufrage.
from: Les cinq lettres
Port-au-Prince: Imprimerie Natal, 1992
Audio production: 2002 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin
Der Brief unter der Zunge
الألمانية
Ich schreibe dir, ich will dir sagen
daß ich hautnah über der Tinte lebe
in einer Stadt aus Stahlbeton
In meiner Straße wird geschossen, erbärmlich
Jedes Wort ist zuviel
ein Glück in Chloroform
Wer wird mit uns noch diesen
verlogenen Raum bewohnen
dieses ratlose Land
das seine Stimme verlor in Versprechungen
an ein Glück ohne Komplizen
und an Tagträume
zu ebener Erde
Schon wieder die Ellipse
meine Hand ist zweigeteilt
Man hat sich zu entscheiden
Ich bin ein Mann
der vom verminten Rand des Mondes
und vom Aufprall des Wortes
und von den Fallstricken des Geistes aus
den Wahnsinn anruft
vor dem Trümmermeer
und da Du unbedingt einen kurzen Bericht brauchst
den des Verrückten hinter der Türe
der Versprecher
oder der Masken, die brennen
deren quälendes Quietschen einem
durchs Mark fährt
ich schreibe, um dir
beizubringen
daß ich lange mit geballten Fäusten sprach
um nicht mit diesem Horizont, der absäuft, zu kreischen.
© Lutz Seiler
[Nessuno riposa...]
الايطالية | Milo De Angelis
Nessuno riposa. Il ragazzo
con la fronte squarciata sul marciapiede
sente il fischio degli dei, un vortice
da stadio che lo sveglia
ai confini della città
e lo solleva. Ma anche tu
sentirai nella stanza sigillata
alzarsi un antico profumo di benzina
e volerai sul cortile
dove uno sconosciuto si sporge
dal balcone con l’asfalto nelle mani.
[Niemand kommt zur Ruhe...]
الألمانية
Niemand kommt zur Ruhe. Der Junge
mit der zersplitterten Stirn auf dem Bordstein
hört das Pfeifen der Götter, ein Wirbeln
wie im Stadion, das ihn berührt
an den Grenzen der Stadt
und ihn aufhebt. Aber auch du
im versiegelten Zimmer
wirst eines uralten Geruchs gewahr von Benzin
und hinunterfliegen in den Hof
wo ein Fremder sich hinauslehnt
über den Balkon, mit Asphalt an den Händen.
[Mi attendono nascosti...]
الايطالية | Milo De Angelis
Mi attendono nascosti. Talvolta
li ho portati alla vita, al grande
alfabeto del momento. Ma loro tornano lì,
muti, si stringono a un palo,
non ne vogliono sapere. E il mondo
sembra un’eco della frase
che non trovano più, caduti nel buio
di un gesto qualunque, un sabato,
in un centro commerciale.
Parlo di eroi,
naturalmente, corpi che avevano una spina
sul quaderno.
[Sie erwarten mich versteckt...]
الألمانية
Sie erwarten mich versteckt. Manchmal
Führte ich sie bis ans Leben, an das große
Alphabet des Augenblicks. Doch kommen sie erneut zurück,
stumm an einen Pfahl geschmiegt
kehren sie sich ab. Und die Welt
erscheint als Echo dieses Satzes,
den sie nicht mehr fassen, ins Dunkel versunken
einer Geste von Beliebigkeit, eines Samstags
in einem Supermarkt.
Ich spreche von Helden,
natürlich, von Körpern, denen ragt ein Dorn
aus den Seiten.
[Le soleil monte, la brise se tait]
الفرنسية | Hélène Dorion
Le soleil monte, la brise se tait
le bord du ciel demeure pur.
Un premier navire s'éloigne
– blanches voilures qui battent
et pareilles aux vagues se froissent.
Quelle destinée ? Quelle mesure
du vent, de l'obscur, et du temps
quel espoir ?
L'un après l'autre vont les navires
chacun vers l'inconnu qu'il révèle.
Chacun rameute son poids de questions
comme refluent et se délient
les nuages dans la tempête.
D'où cette terre ? ce rivage
du bout de l'âme que l'on touche ?
Le voyage secoue mon corps, mon coeur.
Ce qui meurt me brûle
et je ne sais encore brûler
du feu de ma vie.
Audio production: 2007 Literaturwerkstatt Berlin
[Die Sonne steigt auf, der Wind verstummt]
الألمانية
Die Sonne steigt auf, der Wind verstummt
der Himmelsrand bleibt klar.
Ein erstes Schiff legt ab
– weiße Segel, die schlagen
und dem Wasser gleich in Falten liegen.
Welcher Weg? Welcher Takt
im Wind, im Dunkel, was
ist auf Dauer zu hoffen?
Eins aufs andere fahren die Schiffe hinaus
jedes ins Unbekannte, das es enthüllt.
Jedes versammelt die Last seiner Fragen
wie die Wolken im Sturm
sich ballen und lösen.
Woher dieses Land? dieses Ufer
An dem die Seele tastet?
Die Reise bewegt meinen Leib, mein Herz.
Was vergeht, brennt sich ein
noch kann ich nicht brennen
im Feuer, das mein Leben ist.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops
Versschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2007
[Le jour décline, et l’arbre]
الفرنسية | Hélène Dorion
Le jour décline, et l’arbre
enchâssé dans ses ombres
presse la mince couche de bleu.
Si maintenant je lève les yeux
et veille, tels ces blessés qui fléchissent
au portail des étoiles, si je lève les yeux
peut-être approcherai-je aussi
de cette destinée, – légère ascension
dans l’espace désolé.
Et le vent, maintenant le vent
sur la pierre oubliée, qui s’attarde.
Elle tombera bientôt, dans le magma d’autres pierres.
Ruines, ruines, disséminées dans l’histoire
– géométrie compliquée d’un monde
plongé dans la joie douloureuse du temps.
Saurai-je aussi me jeter
en moi-même comme en un puits, et sans filet
consentir à cette ombre qui pointe
vers d’autres lumières ?
Audio production: 2007 Literaturwerkstatt Berlin
[Wenn der Tag zu Ende geht, und der Baum]
الألمانية
Wenn der Tag zu Ende geht, und der Baum
in seinen Schatten eingefasst
das dünne Blau bedrängt
Wenn ich jetzt nach oben schau
und wache, wie die Versehrten sich neigen am
Tor der Sterne, wenn ich nach oben schau
vielleicht komme auch ich
dort an – langsamer, trostloser
Aufstieg im Raum.
Und der Wind, der Wind jetzt
auf dem vergessnen Stein, der verweilt.
Bald wird er fallen ins Magma andrer Steine.
Ruinen, Ruinen, über die Geschichte verstreut
– die schwierige Geometrie einer Welt
in die bohrende Freude der Zeit getaucht.
Werde auch ich mich in mich selber
werfen können wie in einen Brunnen, haltlos
diesem Schatten folgen, der
auf andre Lichter deutet?
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops
Versschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2007
[Ho saputo, amica mia...]
الايطالية | Milo De Angelis
Ho saputo, amica mia,
che sei stata in un limite. Anch’io
negli intervalli di una sola e grande morte
dormivo tra i casolari
dove si raccolgono d’inverno
con la parola disunita e il fitto
delle idee: entrava
un profumo di uva passa e la neve
dell’incontro ha percepito
la mia notte nella tua.
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2010
[Ich hörte, meine Freundin...]
الألمانية
Ich hörte, meine Freundin,
du warst in eine Grenze eingeschlossen. Auch ich
in den Schüben eines einzigen und großen Tods
schlief zwischen den Häusern im Land,
wo die Leute sich im Winter sammeln
mit dem zerbrochenen Wort und der Fülle
ihrer Phantasien: ein Duft von Rosinen
drang herein und der Schnee
der Begegnung hat meine Nacht
in der deinen empfangen.
[Ecco l’acrobata della notte...]
الايطالية | Milo De Angelis
Ecco l’acrobata della notte, il corpo
senza nulla, un’incisione
nell’aria, uno puro scoccare
di fosfori: gettò il suo smeraldo
all’ultima fortuna, si avvicinò ai sepolti,
indicò a ciascuno la strada. La terra appartiene
a chi l’ha abbandonata.
[Dort kommt die Akrobatin dieser Nacht...]
الألمانية
Dort kommt die Akrobatin dieser Nacht, der Körper
ohne Halt, Gravur
der Luft, ein reines Schnellen
und Erglühn: Sie warf ihren Smaragd
der letzten Chance entgegen, sie stieß vor bis zu den Toten
und zeigte jedem seinen Weg. Die Erde gehört
denen, die sie aufgegeben haben.
[E’ qui, in un angolo della stanza...]
الايطالية | Milo De Angelis
E’ qui, in un angolo della stanza, scocca
la sua freccia negli anni, nei nostri anni,
e vacilla. L’ ho conosciuta. E’ una furia
che scende verso l’ oscuro e dilaga
tra i muri passeggeri e sgretolati
dove ognuno è solo il suo andarsene,
il piede franato sulla riva, lo stormo delle frasi
che cadono cieche da una volta.
[Und hier, in einer Ecke des Zimmers...]
الألمانية
Und hier, in einer Ecke des Zimmers, schnellt
sein Pfeil durch die Jahre, durch unsere Jahre,
und er vibriert. Er war mir vertraut. Er ist eine Furie,
die hinabsteigt ins Dunkel und um sich greift
zwischen den Mauern, flüchtig und brüchig,
wo jeder nur sein eigner Abschied ist:
der Fuß, ins Ufer eingebrochen, Sätze wie im Schwarm,
die blind aus einem Fresko fallen.
[E’ entrato qui...]
الايطالية | Milo De Angelis
E’ entrato qui,
nell’azzurro di Via Varé, nel ristorante
che ti ha vista piangere, nelle triglie
antiche, nell’ acqua del momento. Avverrà,
dicevi, tutto quello che è stato,
avverrà. Eccoli, gli ostaggi della via Paal,
sono nella mente e sono lì, si aggirano
tra i tavoli, hanno il segno
sacro della fine. E tu,
sempre più vicina, sei l’oscura melodia
di ogni adolescente, l’acume e lo spavento,
di chi chiede tutto, profugo del tempo
con il viso bianchissimo e un pegno
che non durerà oltre di noi,
l’unica data che mi osserva e mi aspetta,
l’unica data.
[Es ist hier eingetreten...]
الألمانية
Es ist hier eingetreten,
in das helle Blau der Via Varé, in das Café,
das dich schon weinen sah, in die antiken
Barben diese See, ins Wasser dieses Augenblicks. Es wird geschehen,
sagst du, all das, was gewesen ist,
wird geschehen. Da sind sie, die Geisel der Via Pal,
sie sind im Geist und sie sind hier, sie werden umhergehen
zwischen den Tischen, sie tragen das heilige
Mal des Endes. Und du
immer näher, du bist die dunkle Melodie
vom reifenden Geschlecht, die Härte und der Schrecken dessen,
der das alles will, der Zeit entflohen
mit dem weiß erleuchteten Gesicht und einem Pfand,
der uns nicht überdauern wird:
das einzige Datum, das mich bewacht und mich erwartet,
das einzige Datum.
[Chacun va, dans sa caverne d’enfant]
الفرنسية | Hélène Dorion
Chacun va, dans sa caverne d’enfant
retrouve les ombres animées d’oiseaux, de poissons
de reptiles sur les murs
ses jeux de sable et d’eau
qui emplissaient l’univers.
Toutes choses se dispersent, aujourd’hui
que la nuit chute dans l’immensité
le ciel qu’alors tu regardais comme un manège
a défait son chapiteau.
Tu regagnes le fond de l’enfance
où chacun est loin, si loin dans son monde
de figures éphémères.
Comme chacun, tu lutteras aux portes de la caverne
contre le reflet qui s’y glisse encore.
Audio production: 2007, Literaturwerkstatt Berlin
[Jeder geht zurück, in seine Kinderhöhle]
الألمانية
Jeder geht zurück, in seine Kinderhöhle
findet die bewegten Schatten von Vögeln, Fischen
Reptilien an den Wänden
die Sand- und Wasserspiele, die
das Universum füllten.
Alle Dinge driften, heute
wenn die Nacht ins Grenzenlose stürzt
der Himmel, den du für ein Karussell gehalten hast
hat seine Kuppel abgebaut.
Du kehrst auf den Grund der Kindheit zurück
wo niemand nah ist, so entfernt in seiner Welt
von flüchtigen Figuren.
Wie alle kämpfst du auf den Schwellen deiner Höhle
Mit dem Widerschein, der dort an dir vorüberschlüpft.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops
Versschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2007
[A volte, sull’orlo della notte...]
الايطالية | Milo De Angelis
A volte, sull’orlo della notte, si rimane sospesi
e non si muore. Si rimane dentro un solo respiro,
a lungo, nel giorno mai compiuto,
si vede la porta spalancata da un grido. La mano feriva
con una precisione vicina alla dolcezza. Così
si trascorre ignoti dal primo sangue
fino a qui, fino agli attimi che tornano a capire
e cercano il significato dei corpi e restano
imperfetti e interrogati.
[Manchmal, am Saum der Nacht...]
الألمانية
Manchmal, am Saum der Nacht, verharrst du in der Schwebe
und stirbst nicht. Du verharrst in einem Atemzug,
für lange Zeit, in einem niemals ganz vollbrachten Tag,
du siehst die Tür, von einem Schrei weit aufgestoßen. Die Hand verletzte
mit einer Genauigkeit, die der Süße nahe stand. So
passierst du unerkannt von erstem Blut
bis hin zu jenen Augenblicken, die erneut begreifen
und die Botschaften der Körper suchen
unvollkommen und zu Zeugen aufgerufen.
The World’s Hub
الانجليزية | Ken Babstock
Not poor, but adjacent to that, I lived
in an outer suburb, undistinguished but
for the mauve-blue mirrored panels of glass
alongside the feeder lanes. Not country
and no sort of city. Everyone drove, to all points
within the limits of nowhere; the rest
incarcerated on public transit: packed
in the high-wattage strip light
sat the poor, the mad, the adolescent
and license-suspended, the daylight
drunk, and Malton’s newly arrived.
Hours-long treks through air-quality
alerts, fingering vials of hash oil and
transfers back. Or earlier, at the thin edge
of long dusks, the Bookmobile
dripping grease on clean tarmac
nudging the lower leaves of young maples,
I kissed a Jamaican boy with three
names, his loose jheri curls
looked wet and right, black helices
in the bay windows’ blue glow.
And something inside me took root;
a thing mine that I didn’t own, but cared
for, as I had for a pink-eyed rabbit,
loved without reason and was returned
nothing in kind, and so what? The flurry
of rose-brick façades being raised
on cul de sacs without sidewalks, outlets
and outlets, the sameness, and grimmer storeys
of the projects beyond the ballpark
were a weird history I was casting love
upon even as I wanted to leave it. I worked
retail, weekends, from within an awareness
of myself as Self; the brown carpeted tiers
of the library, ravine parties, parading
my young body through malls. The world’s
hub, improbably, here, under untranslatable
verses of powerlines, kestrels
frozen above vast grassland of what used
to be farm. November like a tin sheet
blown up from the lake over Mimico, with
garbage and refuse I’d build
a hilltop to the moon over Mississauga —
chip bags, flattened foil wrappers, shopping
carts growing a fur of frost, the shocking
volume and echo of squat women’s voices,
here from blasted South Balkan huts
via Budapest; Filipinos, Croatians
with income come to make good
and did, dressed us in suede pantsuits
at ten, or terry summer halters, confident
with adults, curious, clean. Damp
electrical storms, bloated purgings
of rain turning the avenues to linked lakes.
The low slung buses veering, Albion-bound
but stalled in a monoxide cloud
somewhere on the usual grid . . .
it was the world’s hub.
If you feel otherwise, that it constituted negative
space, I can only say it’s a postulate
without need of proof but for the love
I had for it. I knew before I could speak
of it — that great, horrible sprawl
folded under airport turbulence, advancing inland
each year, breeding signposts, arteries, housing —
it was life as it was lived. Raspberries. The smell of gas.
from: Airstream Land Yacht
Toronto: House of Anansi Press, 2006
Audio production: 2007, Literaturwerkstatt Berlin
Die Nabe der Welt
الألمانية
Nicht arm, doch auch nicht reich, so lebte ich
in einer vorstadt, weiter draußen, unwichtig, bis auf
das malvenblaue blitzen in den fensterscheiben
entlang der ausfallstraßen. nicht land
doch auch nicht stadt. Ein jeder unterwegs, wohin
auch immer in den grenzen ihres nichts; wer übrig
bleibt gefangen im öffentlichen nahverkehr: gepfercht
in tausend-watt-leuchtstreifen
hockten die armen, die irren, adoleszenten
und führerschein-verlierer, die schon am tagbesoffenen,
und Maltons neuankömmlinge.
stundenlange trecks durch smog
alarm, haschöl-ampullen und gutscheine
zur weiterfahrt. Oder, früher noch, am blassen ende
langer sonnenuntergänge, von der fahrbibliothek
tropfte schmiere auf dem sauberen asphalt, die untren
blätter jungen ahorns auf dem scheitel, küsste ich
einen jamaika-jungen mit
drei namen, seine losen locken
sahen feucht und echt aus, spiralen, schwarz
im blauen schein des erkerfensters.
Und irgendwas schlug wurzeln in mir;
etwas in mir, das ich nicht selbst besaß, doch ich sorgte
dafür, wie ich es mit einem pinkäugigen hasen getan hatte,
liebend ohne grund und nichts derlei
zurück bekam, und war das nicht egal? Das labyrinth
der ziegelstein-fassaden, die aufwärts ragten
entlang der sackgassen ohne bürgersteig, geschäftshallen
über geschäftshallen, das immergleiche, und die trostloseren stockwerke
der sozialwohnungen hinter dem baseballfeld
erzählten eine seltsame geschichte, die
ich mochte, doch ich wollte immer weg. An den
wochenenden jobbte ich als verkäuferin, tief im bewusstsein
meiner selbst als selbst; die braunen beläge in den fluren
der bibliothek, die parties in den schluchten, so paradierte
mein junger körper durch die hallen. die nabe
der welt, unglaublich, doch hier, unter dem unübersetzbaren
versgemurmel der starkstromnetze, der turmfalken
frierend über dem riesigen grasland, das einmal
eine farm war. november wie ein blechlaken
vom see über Mimico hochgeblasen, mit
müll und abfall würde ich einen gipfel bauen
bis zum mond über Mississauga –
chipstüten, bündel von alufolien, einkaufswagen,
denen ein fell von frost gewachsen ist, das schockierende
organ und sein echo in den stimmen untersetzter frauen,
herübergekommen aus den zerschossenen hütten des südlichen balkan
über Budapest; Filipinos, Kroaten
gekommen, um mit geld zu begleichen,
was auch immer sie taten, als wir zehn waren, kleideten wir uns
in velour, hosenanzüge aus leder oder rückenfreie frotteetops, ohne scham
vor den alten, neugierig, rein. Der dunst
von gewitterstürmen, der regen und der fluß
im rinnstein, der anschwoll, der die straßen zu seen verband.
Die tiefhängenden busse scherten aus, nach Albion unterwegs
doch versackt in einer wolke von monoxid
irgendwo in der üblichen vorstadtgeometrie...
das war die nabe der welt.
Falls du meinst, hier ist von einem miesen
ort die rede, kann ich nur sagen, nimms als postulat
das braucht mit nichts bewiesen werden, das braucht nur die liebe, die
ich dafür empfand. Das wusste ich, bevor ich eine sprache
dafür hatte – für dieses grosse, schreckliche wuchern,
zurechtgedacht unter den wirbelstürmen eines flughafens, das sich jedes
jahr weiter
ins innere des landes frißt, schilder gebährt, arterien, wohnsilos –
Es war das leben, wie man es lebte. Himbeeren. Der geruch von benzin.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops
Versschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2007
La lettre sur mer
الفرنسية | Georges Castera
Le temps menace la ville
d’un canon de rides
Tu m’écris que les arbres
étranglent les oiseaux
et que la mort fait mouche
sans jeu de mots
le bilinguisme entre les cuisses
Je ne sais plus si dehors
ma passion atterrit en catastrophe
ou si…
trois points suspensifs
La lumière s’est changée en cris
le vent blessé est introuvable
J’ai pris tous les risques
sans drapeau blanc
jusqu’à la cime des mots
Ville absolue dans l’éphémère
ville abrutie dans le mal vivre du poème
ville pour l’anecdotique vie
sans importance
sans porte de secours
sans porte de sortie
vie portée à vue par la mer
sous poids de barbelés.
from: Les cinq lettres
Port-au-Prince: Imprimerie Natal, 1992
Audio production: 2002 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin
Brief mit Meerblick
الألمانية
Die Zeit kommt über die Stadt
mit einem Geschoß von Falten
Du schreibst mir, daß die Bäume
Vögel strangulieren und
der Tod, Zweisprachigkeit
zwischen seinen Schenkeln, Wort
für Wort ins Schwarze trifft
Ich erinnere mich nicht, ob da draußen
meine Leidenschaft zu Bruch gegangen ist
oder ob ...
drei Punkte einer Auslassung
Das Licht wechselt zum Schrei
Unauffindbar ist der geschundne Wind
Bin durch alle Gefahren gegangen
ohne weiße Fahne bis
zum Ende der Worte
Die Stadt ist satt von Vergänglichkeit
verroht im Überdruß des Gedichts
Stadt für ein Leben in Anekdoten
ohne Bedeutung
ohne Notausgang
ohne jeden Ausgang
der Blick öffnet das Leben zum Meer
unter der Last von Stacheldraht.
© Lutz Seiler
La lettre du sixième sens
الفرنسية | Georges Castera
Ma lettre portée par ellipse
ai demandé aux mots
toutes voiles fermées
de prendre le poids de l’oiseau
en plein vol
de rendre rapport d’écriture
et de déraison
de mélodie d’extravagance
Même en me trompant de parcours
mêlant la longue syncope des arcs-en-ciel
aux phrases séquestrées des réverbères
je n’ai toujours eu qu’un seul galop
la phrase mutilée
l’ordre des vertébrés
Celui qui crie trop fort
n’entend pas l’orage déchiré de ta bouche
dans ma vie qui se défait et se refait
comme une chevelure
Celui qui ne crie pas assez
n’entend pas la voix du silence
c’est à mourir de rire !
les hommes n’ont plus de couilles
mais des légendes
des blessures miaulantes
J’ai remis vois-tu
mon vêtement de marginalité
Je vais encore dans le sens des miroirs
Le temps que j’habite n’a pas de portes.
from: Les cinq lettres
Port-au-Prince : Imprimerie Natal, 1992
Audio production: 2002 M. Mechner, literaturWERKstatt berlin
Brief des sechsten Sinns
الألمانية
Mein Brief, den die Ellipse trägt
habe die Worte gebeten
bei hängenden Segeln
das Gewicht der Vögel anzunehmen
im Sturzflug
vom Schreiben zu erzählen
und der Unvernunft von
Unerhörtem
Auch wenn ich mich in meiner Gangart täuschte
die lange Synkope des Regenbogens mischte mit
unter den Laternen eingefangenen Sätzen, hatte
ich doch immer nur diese Gangart
den verstümmelten Satz
die Ordnung der Wirbelsäule
Wer zu laut schreit
hört das aus deinem Mund gerissene Gewitter nicht
in meinem wie Haar, das sich zerzaust
und wieder stillgelegten Leben
Wer zu wenig schreit
hört nicht wie das Schweigen spricht
zum Totlachen!
diese Menschen ohne Trieb
nichts als Legenden und
Katzenjammer aus Blessuren
Schau, ich hab sie wieder angelegt
meine Marginalität
Ich gehe auf den Spiegel zu. Keine Türen
kennt die Zeit, die ich behause.
© Lutz Seiler
Compatibilist
الانجليزية | Ken Babstock
Awareness was intermittent. It sputtered.
And some of the time you were seen
asleep. So trying to appear whole
you asked of the morning: Is he free
who is not free from pain? It started to rain
a particulate alloy of flecked grey; the dogs
wanted out into their atlas of smells; to pee
where before they had peed, and might
well pee again — though it isn’t
a certainty. What is? In the set,
called Phi, of all possible physical worlds
resembling this one, in which, at time t,
was written ‘ Is he free who is not free —’
and comes the cramp. Do you want
to be singular, onstage, praised,
or blamed? I watched a field of sun-
flowers dial their ruddy faces toward
what they needed and was good. At noon
they were chalices upturned, gilt-edged,
and I lived in that same light but felt
alone. I chose to phone my brother,
over whom I worried, and say so.
He whispered, lacked affect. He’d lost
my record collection to looming debt. I
forgave him — through weak connections,
through buzz and oceanic crackle —
immediately, without choosing to,
because it was him I hadn’t lost; and
later cried myself to sleep. In that village
near Dijon, called Valley of Peace,
a pond reflected its dragonflies
over a black surface at night, and
the nuclear reactor’s far-off halo
of green light changed the night sky
to the west. A pony brayed, stamping
a hoof on inlaid stone. The river’s reeds
lovely, but unswimmable. World death
on the event horizon; vigils with candles
in cups. I’ve mostly replaced my records,
and acted in ways I can’t account for.
Cannot account for what you’re about
to do. We should be held and forgiven.
from: Airstream Land Yacht
Toronto: House of Anansi Press, 2006
Audio production: 2007, Literaturwerkstatt Berlin
Kompatibilist
الألمانية
Das bewußtsein war am flackern. Es stotterte.
Und ein paar momente lang konnte man
dich schlafen sehn. Im versuch, als jemand ganzes aufzutauchen
heultest du den morgen an: Ist der frei,
der nicht frei von schmerzen ist? Es begann zu regnen
ein granuliertes grau, ein fleckiges gemisch; die hunde
wollten raus in ihren atlas von gerüchen; zum pissen
wo sie schonmal gepisst, und gut
noch einmal pissen könnten – doch dafür
gibt es keine garantie. Worauf schon? In dieser menge
genannt Phi, aller möglichen faßbaren welten, die
jener gleichen, in der, zu einer zeit t,
geschrieben wurde: ´Ist der frei, der nicht frei ist –`
kollaps und sendepause. Willst du ganz
bei dir bleiben, auf der bühne, bejubelt
oder blamiert? Ich sah, wie ein feld von sonnen-
blumen ihre errötenden gesichter dem zuwandten,
was sie brauchten und was gut war. Mittags
waren sie kelche, kerzengerade, goldumkränzt,
und ich lebte in demselben licht und fühlte mich doch
allein. Ich beschloß, meinen bruder anzurufen
um den ich mich sorgte, und ich sagte es.
Er flüsterte, tonlos. Er hatte
meine plattensammlung verloren, beängstigender schulden wegen. Ich
vergab ihm – durch die schwache verbindung,
in diesem summen und ozeanischen knistern –
sofort, ohne es beschlossen zu haben,
weil er es war, den ich nicht verloren hatte; und
später weinte ich bis in den schlaf. In jenem dorf
bei Dijon, genannt Tal des Friedens,
spiegelte ein tümpel seine libellen
über der schwarzen oberfläche zur nacht und
des reaktors weit entferntes alpenglühn
von grünem licht machte etwas aus dem himmel dieser nacht
im westen. Ein pony brüllte, einen huf
aufs pflaster schlagend. Das schilf des flusses,
reizend, aber baden geht hier nicht. Totenstille,
nichts steht an; mahnwachen mit kerzen im
becher. die meisten meiner platten habe ich ersetzt,
und ansonsten so getan, als wüßte ich von nichts.
Keine ahnung, was du jetzt
machen wirst. Man sollte uns halten und vergeben.
Die Übersetzung entstand im Rahmen des Übersetzungsworkshops
Versschmuggel des Poesiefestivals Berlin 2007