Daniel Falb
Translator
on Lyrikline: 14 poems translated
from: الفرنسية, الألمانية, البرتغالية to: الألمانية, الانجليزية
Original
Translation
[craquements des os]
الفرنسية | Martine Audet
craquements des os
ou des coutures
les ombres dansent
contre la tienne
j’enveloppe ma tête
- une telle fatigue
je quitte les heures
et celle qui dort
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[krachen der knochen]
الألمانية
krachen der knochen
der nähte
schatten tanzen
in deinen
ich hülle den kopf
- bin so müde
ich lasse die stunden zurück
und die eine die schläft
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[mon propre crâne]
الفرنسية | Martine Audet
mon propre crâne
une promenade
- le dos est là
pour tout le monde
je fends poussières
sans grand succès
de longues morts
entre chaque mort
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[mein eigener kopf]
الألمانية
mein eigener kopf
ein spaziergang
- mein rücken
für den rest der welt
ich teile den staub
ohne großen erfolg
zwischen jedem kurzen tod
ein langer
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[douleur douleur]
الفرنسية | Martine Audet
douleur douleur
comment m’y prendre?
je serre les nœuds
- un monde à part
l’oubli s’apprend
avec des gestes
le bras déjà
est une histoire
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[schmerz schmerz]
الألمانية
schmerz schmerz
was damit tun?
ich ziehe die knoten fester
- eine eigene welt
vergessen kann man lernen
per handgriff
der arm ist schon
legion
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[ici fenêtre]
الفرنسية | Martine Audet
ici
fenêtre
comme dans tes yeux
-des attrape-gueules
du chaud du froid
charbon des cris
les cœurs se tendent
et puis
un seul
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[hier das fenster]
الألمانية
hier
das fenster
wie in deinen augen
- maulsammler
aus warm aus kalt
kohle aus schrei
viele herzen strecken sich
dann
eins
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[étoile fissure]
الفرنسية | Martine Audet
étoile fissure
ou cette joie
des os lavés
- l’or vide du ciel
les corps
parfois
nous les ouvrons
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[stern riss]
الألمانية
stern riss
oder freude
gewaschener knochen
- im himmel leeres gold
die körper
manchmal
öffnen wir sie
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[Ce n’est pas le haut le bas]
الفرنسية | Martine Audet
Ce n’est pas le haut le bas
ni l’éclipse des saisons. Je prends l’œil nécessaire, toute la voûte des
larmes. Je prends l’œil en ses ténèbres. Je cours parmi les bêtes,
l’encensoir des glissements. Je résiste aux sols et aux vœux.
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[Nicht Oben nicht Unten]
الألمانية
Nicht Oben nicht Unten
noch die Aufhebung der Jahreszeiten. Ich nehme das notwendige Auge, das ganze Gewölbe der Tränen. Ich
nehme das Auge aus seinem tiefen Dunkel. Ich renne inmitten Getiers: das Rauchfass sachten Entgleitens. Ich
halte Böden und Wünschen stand.
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[Ce n’est pas le oui le non]
الفرنسية | Martine Audet
Ce n’est pas le oui le non
ni l’arrangement des certitudes. Je prends la simple étoile, toute encre en
train de se faire. Je prends l’étoile si nette. Je choisis les rameaux du
sommeil, les côtés aussi le centre. Je fuis plusieurs désastres.
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[Nicht Ja nicht Nein]
الألمانية
Nicht Ja nicht Nein
noch das Arrangement der Gewissheiten. Ich nehme diesen einfachen Stern, die ganze Tintengestalt im
Werden. Ich nehme diesen so klar umrissenen Stern. Ich wähle die Zweige des Schlafs, seine Seiten seine
Mitte. Ich fliehe einige Desaster.
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[Ce n’est pas le jour la nuit]
الفرنسية | Martine Audet
Ce n’est pas le jour la nuit
ni la femme à circuler dans les lettres. Je prends de belles mains libres,
toute la blessure du dedans. Je prends la main si leste. Je franchis
n’importe quelle montagne et un semblant de mort. Je sais la façon
d’être triste.
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[Nicht Tag nicht Nacht]
الألمانية
Nicht Tag nicht Nacht
noch die leichtfüßige Frau in den Worten. Ich nehme die schöne freie Hand, das ganze Verletztsein im Innern.
Ich nehme die leicht ausrutschende Hand. Ich überwinde noch jeden Berg und jeden Anschein von Tod. Ich
weiß wie man so traurig ist.
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[Ce n’est pas le sud le nord]
الفرنسية | Martine Audet
Ce n’est pas le sud le nord
ni l’élastique sombre des préparations. Je prends la tête avec un tel
charme, toute l’étrange raison du monde. Je prends la tête si sérieuse.
J’emploie les mots bâches, ceux qui couvrent mes inexistences. Je reste
longtemps à regarder.
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[Nicht Nord nicht Süd]
الألمانية
Nicht Nord nicht Süd
noch das dunkle Ziehen und Zerren der Pläne. Ich nehme den Kopf mit solchem Bezaubern, das ist der ganze
seltsame Grund der Welt. Ich nehme den Kopf so ernst. Ich verwende die Wörter Planen, die mein
unpässliches Sein bedecken. Ich bleibe lange und schaue.
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
[un morceau neuf]
الفرنسية | Martine Audet
un morceau neuf
c’est trop de ciel
mais la douleur
- ces fleurs si simples
dans l’incendie
cherche ma main
from: La Société des cendres suivi de Des lames entières
Montréal, Québec: éditions du Noroît, 2019
Audio production: Recording by Martine Audet, Postproduction: Haus für Poesie, 2020
[ein neues werk]
الألمانية
ein neues werk
ist himmel überfließend
aber der schmerz
- diese so einfachen blumen
im feuer
sucht meine hand
entstanden im Rahmen des Versschmuggel - Canadian Poetry / Poésie du Québec / Dichtung aus Deutschland, Poesiefestival Berlin 2020
Svalbard Paem
الألمانية | Daniel Falb
Tael 1
Svalbard Paem übergibt sich in den tauenden Gang von Svalbard,
an dessen Ende die drei Tresore mit den Saaten sind, zeigt,
was in seinem Magen ist: klimawandelresistentes metallisches Sorghum,
Stücke von Okra-Gravur in einer Wolke aus brodelndem
Messing unter dem Mandat des Global Crop Diversity
Trusts. Und Coke Light. Svalbard Paem ist dein, oder mein,
Leben, das sich in Generationen wiederholt, unter der Haube
*aus Linnen*, da, wo auch Svalbard Paems nassgeschwitztes
Haar ist, übergibt sich ins sich umwendende Krebsgesicht
und auf die sommersprossigen Schultern von Cis-Cary Fowler,
das ist einer der Initiator*innen, der, apriorisch,
30 cm direkt vor Paems Nase
den Gang runtergeht, mit seinem lockigen Haar, mit seinem Haar,
und nettchen labert. Bei einer Führung. Mit einer Ledertasche.
Und wie ein helles Tattoo, von dem ich glaub’, dass es auf seiner Wange
hin- und herwandert und sich „lichtend“ vertieft, erblickt Svalbard Paem
das große Kreuz, das ist das vertikal durchgestrichene Kreuzsymbol,
von dem sein Gesicht mit Licht fast durchlöchert ist wie ein
Moscheeraum. Svalbard Paem übergibt sich direkt
in sein Gesicht. Aber Cis-Cary Fowler merkt es nicht, ist
Augmented Reality von Paem, wird auf sein’ „Netzhaut“ im
Gegenlicht angezeigt mit Schilfgras, egal
wohin und an wen es sich wendet.
Svalbard Paem ist, empirisch, im Südtiroler Archäologiemuseum
in Bozen, das Erbrochene fällt warm
in die eingeknüllten eingesternten Augenhöhlen
von Ötzi – Erste Samenbank für mtDNA mit Arm-Chiffre –, fällt
in seinen Mund, an dem die Weltbevölkerung wächst,
mit seinen schwarzen Herzen pulsierend in der trockenen Armmuskulatur,
da Fowler seine kleine Führung auf dem
Ersten Zufälligen Saatguttresor fortsetzt, „its
stomach content yellowish to brownish colored and mushy
with some bigger pieces of grain and meat,“ namentlich Kleie oder
Brot vom Einkorn, Gerste, Adlerfarn, Pollen
von Kiefernartigen und Hopfenbuchen, getrocknetes oder
geräuchertes Fleisch vom wilden Alpensteinbock
Capra Ibex, organs like the spleen, liver or brain from red
deer was also Teil seines Mahls, die Eier
des Peitschenwurms. Gehirn breitet sich wuschig wuschig
aus an seinem, vom Klimawandel frei-gelegten Mund. Immer mehr
Paeme stehn an seinem Käfig, wippen mit breiter Hose
in der Hocke. Sein Sperma, weiß im Schnee der italienischen
Alpen. Svalbard Paem übergibt sich heftig in eine Felswand. Svalbard
Paem übergibt sich in ein Gesicht. Svalbard Paem
übergibt sich in einen Wasserfilm, wo unten,
in zusammenlaufenden Kanten, alles Wäss’rige im Dunkel
zusammenfloss.
In eine Ledertasche, die
dein Leben war.
Tael 2
Die Schwimmende Schildkröte
das Trinkgefäß aus Knochen,
schwimmt auf dem Rücken
vor Svalbard Paem,
mit ihrer Einbauküche,
in ihrer Ledertasche,
und ihr Bauchpanzer wird aufgeschnitten,
-gesägt und gestemmt, die
Platte abgehoben, das Hohlgefäß,
dunkel wie eine Kirche, wird
zum vollen Menü der Organe,
mit zwölf schwarzen Herzen,
rotierendem Natostern,
Sonnensystemen-Modellen aus Messing,
die Schildkröte strampelt und schwimmt, und
da C. Fowler sich auf ihr umdreht und
mit seinen Fäustlingen da hindeutet,
wird sie leergeschaufelt mit Schaufeln, den
offenen Bauch gen purpurnen Himmel.
Svalbard Paem trinkt aus der offenen Schale,
wie wenn eine Zunge im Glas wedelt, es
ausleckt. Aber das Blut läuft nicht in seinen
Körper, sondern bildet eine Blutwolke
im flachen Tropenwasser unter der *linnenen*
Spitzenhaube, im Wirkungsbereich der
Sea Turtle Conservancy (STC) und ihrer
Schutzanstrengungen. Sie erbricht sich, aber da ist nichts.
Insofern taucht hier eine zweite Idee auf, die Idee
von Storage in Praxis.
Die in deinem Leben als Bäuer*in bei deinem
vertäfelten Gesicht gespeicherten Sorten
der vorindustriellen Landwirtschaft
fließen aus den vier Taelern von Svalbard
Paem in die Konstellation von Saatguttresoren, das
geometrische Raumschiff under der linnenen
Spitzenhaube des Mars Science Lab (MSL), nämlich
(1) die punktförmigen Nationentresore im
rötlichen Erdenstaub which contain
the seeds of individual countries,
wie Syrien oder Afghanistan,
darüber
(2) die 11 internationalen Saatgutbibliotheken, sogenannte
CGIAR centers founded by some sixty countries
and organizations, managed by the Consultative
Group on International Agricultural Research,
which store specific crops, und
eompor, mit taubengroßen Eiern gefüllte Schale,
die Schwimmende Schildkröte,
(3) der Svalbard Saatentresor.
Dieser Übergang der gespeicherten Agro-Biodiversität von
Lebenswirklichkeit
in pure Möglichkeit
ist
Das Große Kreuz
|
X
|
von
Svalbard Paem,
der volatilste Durchgangspunkt der Ernährungssicherheit
unserer heutigen Bevölkerung von 11,2 Mrd.
Gedichtchen:
sie bemerken das, in ihre Netz-Haut gebrannte,
Kreuz und gehen darauf zu
wie auf einen Tannenbaum,
laufen in ihn rein
wie in einen riesigen stacheligen Strohstern
einen Licht-Raum-Modulator von
Moholy-Nagy.
Tael 3
Wie hast du dieses Gedicht gefunden?
Was hat dich hierher geführt?
Wie hast du es, lebend, gefunden
in der roten Wüste?
Zwischen gelegten Schildkröteneiern?
In einem Gelege schwarzer Schildkrötenherzen?
Under der Haube, da, wo auch
die ausgeatmete warme
Luft des gesprochenen …
und der Geruch eines Apfels
Cis-Heiko Strunk, dieses Gedicht
muss auf lyrikline.org, sonst
muss ich es andauernd sprechen. *Thanks*
lyrikline.org ist DOBES, das VolkswagenStiftunggeförderte
Documentation of Endangered Languages
Project bei meinem durchnässten Haar.
Die Saaten der Wörter Sorghum, Okra,
Einkorn und Gerste, Hopfenbuchen, Tannenbaum etc.
verschwinden ja mit den sterbenden
Sprachen, in denen sie gelagert sind. Am
Ende bleibt dann nur das „Deutsche“ übrig – wenn
das hier immer nur in Deiner Gegenwart
gelesen werden kann ;-) –, in dessen tauendem Gang
im Haus für Poesie
ein SUPERZERFLEDDERTES, MIT
GUMMI ZUSAMMENGEHALTENES ODER -GEBUNDENES
BUCH / BRAUNES BLATTKONVOLUT / EIN
BUCH WIE EIN GLÄNZENDER BABY-ÖTZI
auf der Schwelle liegt, in dem ich meine
Wiki Searches nach „Grimm’sches Wörterbuch“
ausgedruckt habe, und die Etymologie der
Foodbegriffe darin, ohne die mein Beitrag f
ür KOOK.MONO,
„Svalbard Paem“,
ganz weiß und leer
geblieben wär.
lyrikline.org ist der Quell, aus dem dein Leben geflossen ist,
oder der Same, aus dem es gesprossen ist,
das ist der eine Prozess, der ihm sozusagen vorhergeht,
bei dem sich eine Kugel bildet mit ungesehener Höhlenmalerei,
das ist der Prozess, bei dem sich der Mars-Rover
bootet, bevor er angeschaltet wird und sich wahrnimmt,
der eine Prozess, den er dann überhaupt nur beobachten kann, der
auf seiner Retina eintätowiert ist – so würde man das vielleicht sagen –.
Es geht um die Sprache, aber es geht um das Leben,
und insofern um, irgendwie so, den intimsten Punkt
des Anthropischen Prinzips, sozusagen, und wenn irgendwie,
sozusagen, die Etymologie von einem Wort – wie „geboren“
zum Beispiel –, ‘ne andere wäre, dann wäre man nicht
geboren worden.
Und wenn die Etymologie irgendwelcher Foodstuffs oder so
eine andere wäre, dann wäre man nicht
geboren worden, dann hätte es quasi kein Paem gegeben,
hätte es in dem Sinne, äh, gewissermaßen auch nichts zu essen gegeben,
es wäre eine vollkommen andere Geschichte gewesen.
Und ich denke das ist irgendwie die, die Dimension, Etymologie ist
Geschichte,
einfach, und wenn deine Existenz sozusagen
textualistisch ist, wie das in gewissem Sinne hier behauptet wird –
Paem ist dein Leben –, äh,
dann ist eben diese Textgeschichte, diese Etymologie, die Dimension,
in den sich – in der das extramentale Apriori spielt, und
eben insbesondere – sagt man dann quasi – in den
Etymologien, jetzt in dem Fall,
der Foodbegriffe.
lyrikline.org ist der Quell, aus dem dein Leben geflossen ist,
das Licht in Ötzis Magen,
wenn Svalbard Paem durch
seine Bauchdecke stößt, das Licht,
das durch Cis-Cary Fowlers Kreuz auf seiner Stirn
und Wange leuchtet,
wenn er seine Führung betreffend sein Lebenswerk gibt in diesem
Gedicht,
abrufbar auf www.lyrikline.org und zuletzt abgerufen am
21/06/4.541.736.978
– das ist der Tag,
an dem ich gehen darf –.
Tael 4
Die Nachfolger*innen von Heiko Strunk (Projektleiter*in)
und Juliane Otto (Internationale Kommunikation),
Mira Lina Simon (Presse), Michael Mechner
(Audioproduktion), Kevin Nagel (Audioproduktion)
von lyrikline.org beim Haus für Poesie
und die Nachfolger*innen (R.I.P. Fowler, der immer noch
an dieser Stelle entlanggeht) des Leitungsteams
im Bonner Crop Trust, der Svalbard managed,
also
Marie Hager (Executive Director) und Bernhard
Stocker (Executive Assistant) aus dem Executive Office,
Timothy Andrew Fisher (Chair of the
Executive Board), Charlotte Lusty
(Head of Programs, Genebank Platform
Coordinator), HRH, the Prince of Wales (der Patron) …
und all die anderen –
gründen eine Kita,
gehen an den Strand, an dem Die Schwimmende Schildkröte
ihre Eier vergräbt.
Dort ist das Loch im Sand, wo sie
ihre Eier vergräbt.
Dort reinigt sie ihr Gefieder,
atmet Luft sich
in den Magen
(Sprechen ist Essen).
Dort ist die Grabestelle
in Cis-Cary Fowlers
Gesicht,
neben dem Kreuz,
an der vertäfelten Wunde.
Dort ist der Ort, an dem der Mars-Rover
Curiosity stehen geblieben ist
und an dem meine Neugier an ein Ende
gekommen ist,
an einem Ball mit ungesehener Höhlenmalerei.
Dort aber schlüpfst du
und zeigst mir ungefragt
den Inhalt deines „Magens“
– er ist noch weiß
und leer –,
da sich Svalbard Paem,
dein Leben,
– Dir –
übergibt.
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X
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X
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from: Orchidee und Technofossil. Gedichte
Berlin: Kookbooks, 2019
Audio production: Haus für Poesie, 2019
Svalbard Paem
الانجليزية
Saetion 1
Svalbard Paem throws up into the thawing tunnel of Svalbard
with the three seed vaults at the end, shows what is
in its stomach: climate change-resistant metallic sorghum,
pieces of okra engraving in a cloud of seething
brass under the mandate of the Global Crop Diversity
Trust. And Coke Light. Svalbard Paem is your, or my,
life that repeats in generations, under a bonnet
*of linen*, where Svalbard Paem’s sweaty
hair is as well, throws up into the turning cancer face
and onto the freckled shoulders of Cis-Cary Fowler,
that’s one of the initiators, who, a priori,
walks 30cm right in front of Paem’s nose
down the tunnel, with his curly hair, with his hair,
and babbles nicelittely. During a guided tour. With a leather bag.
And like a bright tattoo, which I believe wanders back and forth
on his cheek as it “lightingly” deepens, Svalbard Paem spots
the big cross – that is the vertically canceled cross symbol –
by which his face is almost perforated with light like a
mosque room. Svalbard Paem throws up directly
into his face. But Cis-Cary Fowler does not take notice, is a part
of the Augmented Reality of Paem that is displayed
on its “retina” against the light with reed grass, no matter
where and to whom it keeps turning.
Svalbard Paem stands, empirically, in the South Tyrolean Museum of Archaeology
in Bolzano, the vomit falls warmly
into the crumpled, starred-in eye sockets
of Ötzi – First Seed Bank for mtDNA with an arm cipher –, falls
into his mouth, on which the world population grows,
with his black hearts pulsing in the dry arm
musculature, as Fowler continues his little tour on the
First Random Seed Vault, “its
stomach content yellowish to brownish colored and mushy
with some bigger pieces of grain and meat,” namely bran or
bread of einkorn wheat, barley, eagle fern, pollen
of coniferales and hop hornbeam, dried or
smoked meat of the wild alpine
ibex, organs like the spleen, liver or brain from red
deer was also part of his meal, the eggs
of the whipworm. The brain spreads out woozy woozy
at his mouth, freed by climate change. Ever more
Paems stand at his cage, bobbing with broad trousers
crouching. His sperm, white in the snow of the Italian
Alps. Svalbard Paem violently vomits into a rock face. Svalbard
Paem vomits into a face. Svalbard Paem
vomits into a water film, where below,
into convergent edges, everything wat’ry flows together
in the dark.
Into a leather bag that
was your life.
Saetion 2
The Floating Turtle,
the drinking vessel of bone,
swims on its back
off Svalbard Paem,
with its fitted kitchen,
in its leather bag,
and its plastron is cut,
sawn and prized open,
the plate lifted, the hollow vessel,
dark as a church,
becomes a full menu of organs,
with twelve black hearts,
rotating NATO star,
solar system models of brass,
the turtle pedals and swims, and,
as C. Fowler turns around and
points there with his mittens,
it is shoveled empty with shovels, its
belly open toward the purple sky.
Svalbard Paem drinks from the open bowl
as if a tongue wags in a glass, licking
it clean. The blood, however, does not enter its
belly but forms a cloud
in the shallow tropical water under the *linen*
bonnet, inside the effective range
of the Sea Turtle Conservancy (STC) and its
protective efforts. She vomits, but nothing.
Thus emerges a second idea – the idea
of storage in practice.
The varieties of preindustrial agriculture stored
in your life as a peasant
at your paneled face
flow from the four saetions of Svalbard
Paem into the constellation of seed vaults, a
geometric spaceship under the Mars
Science Lab (MSL) linen bonnet, namely
(1) the dot-shaped national safes in
the reddish dust of the Earth which contain
the seeds of individual countries,
like Syria or Afghanistan,
above that
(2) the 11 international seed banks, so-called
CGIAR centers, founded by some sixty countries
and organizations, managed by the Consultative
Group on International Agricultural Research,
which store specific crops, and
aobove, a bowl filled with pigeon-sized eggs,
the Floating Turtle,
(3) the Svalbard Global Seed Vault.
This drain of stored agricultural biodiversity from real life
into pure possibility
is
The Great Cross
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X
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of
Svalbard Paem,
the most volatile point of passage with regards to the food security
of our present world population of 11.2 billion
li’l poems:
They notice the cross, burnt into their
retina, approach it
like a Christmas tree,
run into it
like into an enroumous spiky straw star
a light-space modulator by
Moholy-Nagy.
Saetion 3
How did you come upon this poem?
What led you here?
How did you come upon it, alive,
in the red desert?
Between laid turtle eggs?
In a clutch of black turtle hearts?
Under the bonnet, with
the exhaled warm
air of the spoken ...
and the smell of an apple.
Cis-Heiko Strunk, this poem
must go on Lyrikline.org, or else
I have to perpetually speak it. *Thanks*
Lyrikline.org is DOBES, the VolkswagenStifung-
sponsored Documentation of Endangered Languages
Project at my sodden hair.
The seed of words like sorghum, okra,
einkorn wheat and barley, hop hornbeam, Christmas tree etc.
disappear with the dying
languages in which they are being stored. Eventually,
nothing but “German” remains – if
this can only be read
in your presence ;-) –, where in its thawing tunnel
at Haus für Poesie
a SUPER-TATTERED BOOK,
HELD OR BOUND TOGETHER WITH A RUBBER
BAND / A BROWN BUNDLE OF PAGES / A
BOOK LIKE A SHINING BABY ÖTZI
sits there on the threshold containing my printed
Wiki Searches for “Grimm’s Dictionary”
and the etymology
of its concepts of food, without which my contribution t
o KOOK.MONO,
“Svalbad Paem,”
would have remained entirely
white and void.
lyrikline.org is the well from which your life has flowed, or
the seed from which it has sprouted,
the one process that as it were precedes it,
in which a sphere forms with unseen cave paintings inside,
that is the process in which the Mars rover
boots itself before it is switched on and sees itself,
the single process it can then observe at all, which is
tattooed onto its retina – maybe that’s how to put it –.
It is about language, but it is about life,
and thus about – somewhat – the Anthropic Principle’s
most intimate spot, as it were, and if somehow,
as it were, the etymology of a word – like “to be born,”
e.g. – was different, then you wouldn’t have
been born.
And if the etymology of any concepts of food or something like that
were any differnet, then you wouldn’t have
been born, there effectively would not have been a Paem,
then in a sense uh there wouldn’t have been anything to eat,
it would have been a completely different story.
And I think that is somehow the, the dimension – etymology is history,
quite simply, and if your existence is
textualistic, so to speak, as it is somewhat claimed here
– Paem is your life –, uh,
then precisely this textual history, this etymology, is the dimension
in that – in which the extramental apriori is set, and
in particular – one will sort of say – in the
etymologies, now in the case, of
the concepts of food.
Lyrikline.org is the well from which your life has flowed,
the light inside Ötzi’s stomach
when Svalbard Paem pushes
through his abdominal wall, the light
shining through Cis-Cary Fowler’s cross on his forehead
and cheek
as he gives his guided tour regarding his life’s work in this
poem,
available at www.lyrikline.org and last accessed on
06/21/4.541.736.978
– this is the day
I may go –.
Saetion 4
The successors of Heiko Strunk (Project Manager)
and Juliana Otto (International Communication),
Mira Lina Simon (Press), Michael Mechner
(Audio Production), Kevin Nagel (Audio Production)
of lyrikline.org at Haus für Poesie,
and the successors (R.I.P. Fowler who
still walks along here) of the leadership team
at the Crop Trust in Bonn, which manages Svalbard,
namely
Marie Hager (Executive Director) and Bernhard
Stocker (Executive Assistant) from the Executive Office,
Timothy Andrew Fisher (Chair of the
Executive Board), Charlotte Lusty
(Head of Programs, Genebank Platform
Coordinator), HRH, the Prince of Wales (the patron) ...
and all the others –
found a daycare center,
go to the beach where The Floating Turtle
buries her eggs.
There is the hole in the sand where she
buries her eggs.
There she cleans her feathering,
breathes air
into her stomach
(speaking is eating).
There is the digging place
in Cis-Cary Fowler’s
face,
next to the cross,
at the paneled wound.
There is the place where the Mars rover
Curiosity has stopped,
and where my curiosity has come
to an end,
at a ball with unseen cave paintings inside. –
But there you hatch,
and without asking show me
the contents of your “stomach”
– it is still white
and void –,
as Svalbard Paem, your life,
throws up and
hands itself
to you.
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X
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X
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[podes levar os dias que trouxeste]
البرتغالية | Pedro Sena-Lino
podes levar os dias que trouxeste
os pássaros soterraram agosto
e sem lugar um homem cega pela janela
o mar que jura ter tocado com o sangue
podia ter sido o amor se não tivesse vindo
tão directamente da sede
um duplo rosto de enganos e os braços
que saíram desertos
o eco da morte reverbera na pele
com que vejo a tua ausência encher as ruas
um choro de papel cai pela terra
e nunca foi tão tarde ser depois
daqui onde o grito surdo incendeia
a refutação da madrugada
donde o crânio esmaga o coração
um homem corta pela janela
a própria certeza de ter sido
não é tarde demais para uma manhã
que foi a enterrar em tantas noites
as escadas morreram de sede
a terra caiu em nunca
podes levar os dias que trouxeste
from: zona de perda – livro de albas
Objecto Cardíaco, 2006
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008
[du kannst die tage zurücknehmen die du gebracht hast]
الألمانية
du kannst die tage zurücknehmen die du gebracht hast
die vögel vergruben den august
und ortlos erblindet ein mann am fenster
das meer das er schwört mit seinem blut berührt zu haben
es hätte liebe sein können wäre es nicht so direkt vom durst hergekommen
doppeltes gesicht der irrtümer und arme die in wüsten auslaufen
das echo eines todes hallt nach auf meiner haut
ich sehe darauf den tod die straßen füllen
das weinen des papiers überzieht die erde
es war noch nie so sehr zu spät für etwas nach seinem ende
hier von wo der taube schrei entflammt
die widerlegung des morgens
von wo der schädel das herz erdrückt
ein mann am fenster schneidet sich ab
von der gewißheit gewesen zu sein
nein es ist zu spät für einen morgen
der sich begraben ging in so vielen nächten
die treppen sind an durst gestorben
die erde ist ins niemals gefallen
du kannst die tage zurücknehmen die du gebracht hast
[cantigo verde]
البرتغالية | Pedro Sena-Lino
hoje vou escrever um poema legível
um poema liso perceptível
como uma estrada de sentido obrigatório
onde se visse Deus imediatamente
diante do eu sem sempre lhe tocar
um poema com a pele de álvaro de campos
nos olhos míopes de alberto caeiro
(toda a gente sabe que um é os olhos do outro
e que hoje em dia as lentes progressivas
permitem angústias muito melhor focadas),
uma coisa legível de cinco ou seis patas
com natália correia cruzando jesus cristo
com régio no ventre
e platão chupando os dedos dos pés
a eu ou mim ou o que existia antes
gustav mahler deitado sonhando com dmitri shostakovich
a fumar o livro do êxodo numa flor desconhecida
um poema onde tu durmas o requiem dos ressuscitados
e acordes depois na madrugada do tempo
e o apanhes a dormir um sonho de Deus
um poema que eu possa ler aos meus sobrinhos
aos fantasmas que dormem comigo à espera do meu corpo
e lhes dê um verso como mundo
território eterno para o invisível
um poema onde eu
possa dizer coisas tão espessamente líquidas como
um gato desceu pela noite
as folhas que pisou gritaram
e eu acordei a pensar que
gustav mahler usou chocalhos de vacas
e não pisadas de gato nas folhas
penso nisto democraticamente
como um orçamento retificativo
choro mentalmente pelo gato
mas apenas a sexta de mahler me responde
e penso depois que podia dizer
que a noite desceu pelo gato
e que gritou às folhas
e que sonhei com isto por ser o gato
e isto as folhas e
mim a noite
até porque álvaro de campos pedia à noite que viesse
«vem noite, antiquíssima e idêntica…»
(isto é o que se chama um mecanismo poético masturbatório)
que é tocar em si próprio tantas vezes
que o poema seja espesso branco agarrado autorreferente a si
o que se passa neste poema que entretanto já perdeu 66% dos seus leitores
é precisamente o facto de ser absolutamente legível
é isto a pós-modernidade
rigorosamente legível referencial
e fascinante como um palimpsesto
e é por isso que apago a luz
como se apagasse o modernismo
e fôssemos todos dormir para os poemas do século XXI
alguma coisa de final e ilegível
como o gato ser a noite do dia
e passasse pelo poema via ao sentido único
para pedir a platão que me chupasse os dedos todos
e a Deus um dedo vago
que ressuscitasse as palavras
os gatos
e todos os passeios noturnos
Audio production: Literatuwerkstatt Berlin 2008
[günes lied]
الألمانية
heute werde ich ein lesbares gedicht schreiben
ein klares flaches gedicht
wie eine einbahnstraße
wo gott unmittelbar erscheinen würde
vor dem lyrischen ich das ihn nicht dauernd berührt
ein gedicht mit der haut von alvaro de campos
in den kurzsichtigen augen alberto caeiros
(jeder weiß dass der eine das auge des anderen ist
und dass die gleitsichtlinsen heute
viel besser fokussierte qualen erlauben)
ein lesbares ding mit fünf oder sechs pfoten
wo natalia correia sich mit jesus christus kreuzt
schwanger mit jose regio
und platon dem lyrischen ich oder mir die zehen lutscht
oder dem was davor war
gustav mahler liegt da und träumt von dimitrij shostakovich
er raucht den exodus durch eine unbekannte blume
ein gedicht wo du das requiem der wiederauferstandenen schläfst
und in der morgenröte der zeit wieder aufwachst
du ertappst es: es schläft den traum gottes
ein gedicht das ich meinem neffen vorlesen könnte
und den geistern die mit mir schlafen während sie auf meinen körper warten
ein gedicht das ihnen einen vers als eine welt geben könnte
ewiges gebiet für das unsichtbare
ein gedicht wo ich
dinge sage so dickflüssig
wie ein kater der durch die nacht herabsteigt
die blätter in die er trat schrien
und ich lag wach denkend dass
gustav mahler kuhglocken verwendete
und nicht die schritte des katers in den blättern
ich denke darüber nach demokratisch
wie ein nachtragshaushalt
ich weine innerlich um den kater
aber nur mahlers sechste antwortet mir
und später denke ich ich könnte sagen
dass die nacht durch den kater herabstieg
und zu den blättern schrie
und dass ich das träumte weil ich der kater war
und das hier die blätter
und mir die nacht
schon allein weil alvaro de campos bat dass sie käme
„komm, oh nacht, du älteste und ewig gleiche“
(das nennt man einen poetischen masturbationsmechanismus)
der ständig an sich herumfummelt
und das gedicht sei etwas zähflüssiges klebriges weißes das sich auf sich selbst bezieht
was in diesem gedicht passiert das inzwischen 66% seiner leser verloren hat
ist genau die tatsache dass es so absolut lesbar ist
da ist die postmoderne
rigoros lesbar referenziell
und faszinierend wie ein palimpsest
deshalb mache ich jetzt das licht aus
die moderne
und wir alle gingen schlafen in den gedichten des 21. jahrhunderts
etwas definites und unlesbares
wie der kater der die nacht des tages wäre
und durch das gedicht ginge in richtung der einbahnstraße
um platon zu bitten dass er meine finger lutscht
und gott zu fragen ob er einen finger übrig hat
der sie wiederbeleben würde die wörter
die kater
und alle nächtlichen spaziergänge
biofagia xx
البرتغالية | Pedro Sena-Lino
todas as cidades estão ancoradas num verso
que alguém deixou aceso na boca de um morto
há pedaços de sol que o deitam à distância
de um coração instável sugando a cada passo
a morte e as suas levíssimas esquinas
constatações ruínas de estar vivo
fiz do livro um corpo bíblico de mim
e do Deus vulgar por minha causa
penetrei o corpo à esquina do calvário
e jerusalém nem por isso ficou presa a minha língua
from: Biofagia
Quasi, 2003
Audio production: Literaturwerkstatt Berlin 2008
XX.
الألمانية
alle städte ankern in einem vers
den jemand brennen ließ im mund eines toten
sonnenpartikel werfen ihn in die entfernung
eines instabilen herzens das schrittweise
den tod einsaugt und seine leichtesten kreuzungen
ruinen bedeuten am leben zu sein
ich habe mir aus dem buch einen biblischen körper gemacht
und gott meinetwegen banalisiert
ich bin in den körper eingedrungen an einer kreuzung golgathas
und jerusalem meine zunge klebte nicht fest