Anja Kampmann 
Translator

on Lyrikline: 3 poems translated

from: الانجليزية to: الألمانية

Original

Translation

I Have A Time Machine

الانجليزية | Brenda Shaughnessy

But unfortunately it can only travel into the future
at a rate of one second per second,

which seems slow to the physicists and to the grant
committees and even to me.

But I manage to get there, time after time, to the next
moment and to the next.

Thing is, I can’t turn it off. I keep zipping ahead—
well not zipping—And if I try

to get out of this time machine, open the latch,
I’ll fall into space, unconscious,

then dessicated!  And I’m pretty sure I’m afraid of that.
So I stay inside.

There’s a window, though.  It shows the past.
It’s like a television or fishtank

But it’s never live, it’s always over.  The fish swim
in backwards circles.

Sometimes it’s like a rearview mirror, another chance
to see what I’m leaving behind

and sometimes like blackout, all that time
wasted sleeping.

Myself age eight, whole head burnt with embarrassment
at having lost a library book.

Myself lurking in a candled corner expecting
to be found charming.

Me holding a rose though I want to put it down
so I can smoke. 

Me exploding at my mother who explodes at me
because the explosion

of some dark star all the way back struck hard
at mother’s mother’s mother.  

I turn away from the window, anticipating a blow.
I thought I’d find myself

an old woman by now, traveling so light in time.
But I haven’t gotten far at all.
 
Strange not to be able to pick up the pace as I’d like;
the past is so horribly fast.

© Brenda Shaughnessy
from: So Much Synth
Port Townsend, Washington: Copper Canyon Press, 2016
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Ich hab eine Zeitmaschine

الألمانية

aber leider hat meine Reise in die Zukunft
nur eine Geschwindigkeit von einer Sekunde pro Sekunde

was Physikern wenig erscheint, den Kommissionen
der großen Stiftungen, und auch mir.

Die Sache ist, ich kann sie nicht stoppen, flippe weiter
naja, nur eben nicht schnell – aber falls ich hinaus wollte

raus aus der Maschine, oder versuchte, die Luke zu öffnen
dann würd ich fallen, bewusstlos in den offenen Weltraum
                                    
ausgetrocknet wie eine Mumie! Und davor
hätt ich wohl Angst. Also bleib' ich hier

Aber hier gibt es auch ein Fenster, es zeigt alles was war
wie ein Fernseher oder ein Aquarium

aber nie ist es jetzt, ist immer schon vorbei,
die Fische schwimmen in rückwärtigen Kreisen.

Manchmal ist es wie ein Rückspiegel, in dem noch einmal
alles erscheint, was zurückbleiben muss

und manchmal ist es nur ein dumpfes Schwarz, von all der Zeit
die ich im Schlaf verplempert'

Ich, mit acht Jahren, die Wangen glühend vor Scham
über das verlorene Buch aus der Schulbibliothek

Ich, kauernd im Kerzenschein in einer dunklen Ecke
mit all der Hoffnung, endlich bemerkt zu werden

Ich, mit dieser Rose in der Hand, die ich sofort
hinwerfen würde für eine einzige Kippe

Ich, ausrastend wegen meiner Mutter, die ausrastet wegen mir
und wegen eines dunklen Sterns

der vor langer Zeit sehr heftig explodierte       
dabei die Mutter meiner Mutter meiner Mutter traf

Ich wende mich ab vom Fenster, erwarte dass auch hier
etwas einschlägt. Ich dachte, ich könnte zu mir selbst finden
                                              
die alte Frau die ich nun bin, die so leicht durch die Zeit reist.
Aber nein, weit bin ich nicht gekommen.

Wie seltsam, dass ich das Tempo nicht selbst bestimmen kann
alles, was war, entzieht sich so rasend schnell.

Aus dem Englischen übertragen von Anja Kampmann
VERSschmuggel – USA – Deutschland – reVERSible, Poesiefestival Berlin, 2019
Sprachmittler: Joel Scott

A Poet’s Poem

الانجليزية | Brenda Shaughnessy

If it takes me all day,
I will get the word “freshened” out of this poem.

I put it in the first line, then moved it to the second
and now it won’t come out.

It’s stuck. I’m so frustrated,
so I went out to my little porch all covered in snow

and watched the icicles drip, as I smoked
a cigarette. 

Finally I reached up and broke a big, clear spike
off the roof with my bare hand.

And used it to write a word in the snow.
I wrote the word “snow.”

I can’t stand myself.

© Brenda Shaughnessy
from: Human Dark with Sugar
Port Townsend, Washington: Copper Canyon Press, 2008
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Wie man dichtet

الألمانية

Auch wenn es den ganzen Tag braucht
das Wort Aufhellen krieg ich noch raus aus dem Gedicht

Ich hatte es in der ersten Zeile, dann in der zweiten
und jetzt zuckt es sich nicht mehr

Es sitzt fest. Ich war schon völlig am Ende
also bin ich raus, auf die eingeschneite Veranda

sah den Eiszapfen zu, wie sie tropften
während ich an einer Zigarette zog

irgendwann langte ich hinauf, brach einen dicken Zapfen
vom Dach mit bloßer Hand

Und schrieb damit ein Wort in den Schnee.
Ich schrieb das Wort "Schnee".

Ach, ich kotz mich so an.

Aus dem Englischen übertragen von Anja Kampmann
VERSschmuggel – USA – Deutschland – reVERSible, Poesiefestival Berlin, 2019
Sprachmittler: Joel Scott

The Home Team

الانجليزية | Brenda Shaughnessy

I liked Jane’s team. I’d bet money on them but it wasn’t that kind of thing. Too disorganized, plus it was just lunchtime pickup winterball with deflated goal bulbs and not enough of the good knee-gel to go around. The kids were tough. The kids goofed. Jane shone.

She worried that winter ball like a craft, then, like it was nothing, she’d plffft  it dead center while everyone else looked sleepy, sidewise, a full surprise every time. Her main move always a low private conversation with the air. Then lightning knees you could never see.

The rest of the team shot sparks on occasion. Tella’s swift half-bank could rattle the shoulder of the thickest bulb-guard, and The Brain (a sticky girl in Advanced Graphmatics) had all the angles. We stood in the stands like snipers, trying to see what The Brain saw but never did till the fluke-score landed from outer space. Jane again, invisibly.

Some girls thought winterball too mean-streaked, too psychic. My oldest daughter could hardly watch, preferring hockey. They shared a season so it was one or the other in our town. My younger daughter would rather ice-swim, but even in her ice-hole in the lake, her eyes followed Jane.

Our hearts were in Jane’s feet, her hands. All the bills we couldn’t pay, the wishing for electricity and lit-up screens of pleasure, the food gone rotten because no one could bring themselves to eat it—Jane gave us so many more chances to do it right this time.

We couldn’t give our kids the bountiful, bullet-proof homes we wanted, but we could insist on watching them try to win their childhoods back, inspecting their scraped knees before the raw red and pink dappled wounds turned burgundy, into crusts of edible leather.

© Brenda Shaughnessy
from: The Octopus Museum
Knopf, 2019
Audio production: Haus für Poesie, 2019

Unsere Mannschaft

الألمانية

Ich hatte Janes Team am liebsten. Ich hätte sogar Geld darauf gewettet, aber auf solche Geschichten setzt man nicht. Alles war zu unorganisiert, nur ein Mittagspausenspiel Winterball, mit völlig verbeulten Torpfosten und zu wenig von der guten Salbe gegen die Knieschmerzen. Die Kinder waren hart verpackt. Die Kinder waren nicht ganz bei der Sache. Aber Jane glänzte.

Sie knetete den Winterball wie eine Töpferin, und dann, als wär' es nichts, puffte sie ihn zielgenau in die Mitte, während die anderen Spieler noch schläfrig an den Seiten entlangstolperten. Das war jedes Mal ein Riesenereignis. Ihre Strategie war dieses leise Zwiegespräch mit der Luft. Dann ihre blitzschnellen Knie, fast nicht zu sehen.

Das restliche Team schickte selten so einen Blitz übers Feld. Aber Tellas Presswurf ließ auch den breitesten Torwart, seine scheunengleichen Schultern, beben. Und das Hirnchen (ein klapperdürres Mädchen aus der Klasse für fortgeschrittene Graphmatik) winkelte den Ball aus allen Ecken. Wir standen wie Scharfschützen am Rand, versuchten zu sehen was das Hirnchen sah, aber schafften es nie, bis dann plötzlich ein Treffer wie aus dem Weltall einschlug. Wieder Jane, und niemand hatte es kommen sehen.

Für einige Mädchen war das Winterballspiel viel zu durchtrieben, und zu anstrengend. Meine älteste Tochter konnte kaum zusehen, sie mochte Hockey lieber. In unserer Stadt spielte man beides zur gleichen Jahreszeit und musste sich für ein Spiel entscheiden. Meine jüngere Tochter ging lieber Eisbaden, aber sogar aus ihrem Eisloch im Tümpel beobachtete sie Janes Spiel.

Falls wir ein Verlangen hatten, so waren es Janes Füße, ihre Hände. All die unbeglichenen Rechnungen, unser Wunsch nach Strom und nach den leuchtenden  Versprechen der Fernsehbildschirme, all die Lebensmittel, die verdorben waren, weil niemand das Zeug essen konnte – Jane gab uns ein Gefühl, als wäre all dies nicht endgültig, als könnten wir wieder von vorn beginnen.

Wir konnten unseren Kindern keins dieser großzügigen Häuser bieten, die schusssicher waren. Aber wir konnten sie anfeuern, zusehen, wie sie ihre Kindheit auf diesem Platz zurückeroberten. Und wir befühlten ihre verschrammten Knie, noch bevor die hellgesprenkelten Wunden sich burgunderrot färbten, zu Krusten aus essbarem Blut.

Aus dem Englischen übertragen von Anja Kampmann
VERSschmuggel – USA – Deutschland – reVERSible, Poesiefestival Berlin, 2019
Sprachmittler: Joel Scott