Adel Karasholi 
Translator

on Lyrikline: 4 poems translated

from: العربية to: الألمانية

Original

Translation

هو هادئ و أنا كذلك

العربية | Mahmud Darwish

© Mahmud Darwish
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Er ist ruhig, ich auch

الألمانية

Er ist ruhig
Ich auch
Er trinkt seinen Tee mit Zitrone
Ich trinke meinen Kaffee
(Das unterscheidet uns)
Er trägt wie ich ein weites kariertes Hemd
Ich blättere wie er in einer Monatszeitschrift
Er sieht mich nicht, wenn ich ihn heimlich beobachte
Ich sehe ihn nicht, wenn er mich beobachtet
Er ist ruhig
Ich auch
Er sagt etwas zum Kellner
Ich sage zum Kellner etwas
Eine schwarze Katze läuft zwischen ihm und mir
Ich streichle den Pelz ihrer dunklen Nacht
Er streichelt ihres Pelzes dunkle Nacht
Ich sage ihm nicht: Der Himmel ist heute klar und blau
Er sagt mir nicht: Der Himmel ist heute blau und klar
Er ist Spiegel und Blick
Blick und Spiegel bin ich
Ich bewege mein linkes Bein
Er bewegt sein rechtes Bein
Ich summe eine Melodie
Er summt ein ähnliches Lied
Ich denke: Ist er der Spiegel, in dem ich mich erblicke?
Dann schaue ich nach seinen Augen, aber
Ich sehe ihn nicht
Eilig verlasse ich das Café
Ich denke: Vielleicht ist er ein Mörder oder jemand
Der mich für einen Mörder hält
Er hat Angst
Ich auch

Aus dem Arabischen von Adel Karasholi
In „wo du warst und wo du bist“, A1 Verlag, München 2004

في القدس

العربية | Mahmud Darwish

© Mahmud Darwish
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

In Jerusalem

الألمانية

In Jerusalem, ich meine in der Altstadt
Laufe ich von einer Zeit zur anderen ohne Erinnerung
In mir, die auf etwas zielt. Die Propheten teilen dort
Untereinander die Geschichte des Heiligtums … Sie
Steigen auf in den Himmel und kehren zurück
Mit weniger Ohnmächtigkeit und Trauer. Denn
Heilig sind Eintracht und Frieden und sie werden kommen
In die Stadt. Ich laufe über einen Abhang und
Frage mich: Warum streiten sich die Überlieferer
Über die Worte des Lichts im Stein? Wie
Können Kriege sich entfachen aus einem Stein
Mit wenig Licht?
Ich laufe im Schlaf. Ich glotze meinen Traum an. Ich sehe
Niemanden hinter mir und niemanden vor mir
Mein ist all dieses Licht. Ich laufe. Werde leichter. Fliege
In der Verwandlung bin ich ein anderer. Wie Gräser
Wachsen aus dem prophetischen Munde Jesajas die Worte:
„Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“
Ich laufe, als wäre ich ein anderer. Eine weiße
Biblische Rose meine Wunde, zwei Tauben
Meine Hände auf dem Kreuz. Sie fliegen auf
Und tragen mit sich die Erde. Ich laufe nicht, ich fliege
Und werde ein anderer in der Verwandlung. Ohne Ort
Ohne Zeit. Wer also bin ich? Ich bin
Nicht ich im Angesicht der Himmelfahrt. Aber
Allein der Prophet Mohammad
Sprach Hocharabisch. Na und?, denke ich
Na und?, schrie plötzlich eine Soldatin:
Du schon wieder? Hab ich dich nicht getötet?
Und ich sprach: Du hast mich getötet – aber ich vergaß
Genau wie du
Zu sterben

Aus dem Arabischen von Adel Karasholi
In „wo du warst und wo du bist“, A1 Verlag, München 2004

سقط الحصان عن القصيدة

العربية | Mahmud Darwish

© Mahmud Darwish
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Das Pferd stürzte ab vom Gedicht

الألمانية

Das Pferd stürzte ab vom Gedicht
Und Galiläerinnen tanzten auf Gänseblümchen, benetzt
Von Schmetterlingen
Und von Tau
Abwesend sind wir: ich und du
Ich und du allein
Zwei weiße Taubenpaare erzählen
Auf Eichenzweigen einander ihre Geschichten
Nicht Liebe, die alten Liebesverse
Die ich liebe, beschützen den kranken Mond
Vor Rauch
Angriff und Flucht wie Violinsonette
So entferne ich mich von meiner Zeit, sobald mir
Sichtbar wird ein Ort
Keine einzige Fußnote mehr
In moderner Sprache, zu huldigen
Was wir lieben
Alles, was werden wird, ist schon gewesen
Das Pferd stürzte ab, besprüht
Mit meinem Gedicht
Und bespritzt stürzte ich ab
Mit des Pferdes Blut

Aus dem Arabischen von Adel Karasholi
In „wo du warst und wo du bist“, A1 Verlag, München 2004

لي حكمة المحكوم بالإعدام

العربية | Mahmud Darwish

© Mahmud Darwish
Audio production: 2004, M.Mechner / Literaturwerkstatt Berlin

Ich besitze die Weisheit eines Todgeweihten

الألمانية

Ich besitze die Weisheit eines Todgeweihten
Mein Testament schrieb ich mit vergossenem Blut:
Vertraut nur dem Wasser
Ihr Bewohner meines Liedes
Und ich schlief befleckt und gekrönt
Mit meinem Morgen
Ich träumte, das Herz der Erde sei viel weiter
Als ihre eigene Landkarte
Und klarer als ihr Spiegelbild und als mein Galgen
Ich schenkte mein Herz einer weißen Wolke
Die mich auf ihrer Reise mitnimmt höher und höher
Als wäre ich ein Wiedehopf und meine Flügel der Wind
Im Morgengrauen riss mich vom Traum
Und von meiner Sprache des Nachtwächters Ruf:
Du wirst noch erleben einen zweiten Tod
Ändere also dein letztes Testament
Die Hinrichtung ist verschoben
Ich fragte: Bis wann?
Er sprach: Warte, bis du zur Genüge stirbst
Und ich sagte: Ich besitze nichts, was mich besitzen kann
Mit meinem letzten Blut schrieb ich das Testament:
Ihr Bewohner meines Liedes
Vertraut nur dem Wasser

Aus dem Arabischen von Adel Karasholi
In „wo du warst und wo du bist“, A1 Verlag, München 2004