Stefanya Ptashnyk 

Translator

an alte Freunde und Geliebte

alte Freunde und Geliebte erinnern an Luftschutzbunker
bei ihnen harrt man aus bis die himmlische Flamme erlischt 
dieses depressive Bowling in der Luft

Und wenn du einsam bist, so zerfetzt es dich in tausend Kegeln, in tausend unbekannte Betten
mit Postern des Todes und anderer Rockstars über deinem Kopf
Vergangenheit Zukunft andere Krankheiten wollen deine Politik
deine Rippen zertrümmern
die in den Nächten wie Fischschwärme im Meer flimmern
in den Nächten mit implantierten Chips seiner Liebe

Mit der Handfläche streiche ich über die unterirdischen Wände meiner Freunde und meiner Geliebten
Ich bin einverstanden hier ohne Nahrung und ohne Schreibstift zu leben
Auf der Stelle zu trampeln, dass es bis nach Sumer hallt
Und von dort, ja eben von dort in das Vereinigte Sterbensreich zu fliegen

Du magst hinfallen und vor eigenen Wörtern rollen
Wörter sind wichtig, wenn sie Namen sind oder wenn man für sie haftet
Wörter muss man erziehen aber wie haftet man für mündige Wörter
deshalb sagt man sich los von den Wörtern  man steckt sie in Heime
Kinderlose werden sie pflegen mit innigster Liebe
Und in ihnen ihre Lieblingsausdrücke und -begriffe erziehen

die Briefe sterben in der Regel
ohne den nötigen Siedepunkt zu erreichen
Stimmen Stimmen vertrocknen verhärten wie Brotkruste ohne in den Mund zu gelangen
und das Gesicht windet sich wie eine Schlange, durchbohrt
von der Spritze mit einigen Kubikdezimetern unübersetzbaren Schweigens

Die Haut der Toten und die Haut der Lebenden antworten  jedoch auf verschiedene Namen
Irgendwie antwortet auch die Haut jener Schizophrenen, die sich in der U-Bahn neben mich setzte
mit ihrer Hand streichelte sie die Luft und ich erkannte
   dass die Luft Haare und Schulter besitzt
   dass die Luft über Begriffe und Ausdrücke verfügt
   dass die Luft familiäre Beziehungen mit Worten hat denn wir atmen ja...

die Schizophrene – nur unter ihrer schweigsamen Haut anwesend
nur für sich selbst als ob für Gott artikuliert sie sich selbst und ihren Namen
und  wiederholt ihn wie einen Rosenkranz aus eigenen Namen
jeder von ihnen drängt sich hinter den Horizont
wie durch eine Wagontür hindurch mit der Aufschrift „Nicht anlehnen“
und die Landschaft rührt sich vom Fleck
       ohne die nächste Station anzusagen

ich wollte rufen  jedoch kannte ich den Namen des schizophrenen Mädchens nicht
mir fehlen Namen, deshalb adoptiere ich die untergeschobenen
mir fehlt der Name, deshalb gebe ich Acht auf jeden  untergeschobenen

Eines Tages bleibt mein Herz stehen
Wie ein erstaunter Fischer am Ufer
beim Sonnenaufgang am ersten Tag der neuen Fischfangsaison.

Einmal nachts stürzt das Flugzeug, mit dem ich fliege,
irgendwo ins Gewässer, wo sich so taubstumm Wale vermehren,
und ich wache am Morgen tatsächlich nicht auf –
weder vom Stöhnen jener Tiere,
noch vom laufenden Ventilator „Scarlett“
noch vom Wecker an meinem Bett,
                                 in dem ich gar nicht mal schlafen
und nur so
ganz einfach
liegen werde
als ob ich das Aufwachen um weitere fünf Minuten hinauszögere.

In jener tödlichen Nacht und weitere neun Tage
werde ich über dem Ozean fliegen,
aufgelöst in Luftzügen und Trance-Melodien,
als ob auch weiterhin Passagier jenes Fliegers bleibend,
über dessen Destination ich gar nicht nachdachte,
                          als ob erkrankt an der Manie der Bewegung im Raum.

So stelle ich mir mein Sterben vor und
meine Seniorenjahre – diese heiligen Stätten mit liederlicher Ausstattung –
Und ich fühle mich andauernd mal wie ein Pilger, mal wie ein Kamikaze.

Von Generation zu Generation sind wir
                                            wie entfernte Inseln,
auf denen man Massenwaffen erprobt.

stell dir vor   dieser fette Betonmischer unter unseren Füßen
verstehst du  dieser heiße Aufdruck brazil auf ihrem Popo in Jeans

wir erwärmen uns und unsere Körper weiten sich aus
wie der Eifelturm im Sommer
wie ein sich rechtzeitig öffnender Fallschirm                                                          
wie das Popcorn-Mais in der Pfanne
immer wieder will ich meinen Bekannten mehr von mir erzählen
darüber dass meine Turnschuhe im Internet surfen können
            dass ich einen Film drehen will, in dem Jesus Breakdance-Powermoves auf dem Wasser tanzt
                   und dass ich bis heute nicht wage, meinen Körper komplett zu rasieren

stell dir vor      dieses gemeinsame Atmen des gleichen saftigen Kalians
verstehst du  dieser erwartungsvolle Blick unter Gewinnspielflaschendeckel

wenn wir einst sterben, dann nur an der hohen, hohen Jugend
irgendein weltberühmter Bariton saugt unsere saftigen Eiweiße aus
wir sind Kinder, die geboren sind, und noch eine Weile nicht sterben
           Und nach dem Tod werden illegale Druckdesigner
                               unsere Körper mit Sommersprossen besprenkeln
                                              oder mit dem Dynamit der Schachiden
                                         oder mit beruhigendem Aftershave-Gel
                                                                   
stell dir vor     unsere Kleider sind nur Druckpapier
verstehst du    unsere Mullbinden sind nur eine dünne Bewerbungsmappe

Kalian: Wasserpfeife
Schachiden: Selbstmordattentäter

Ich dachte lange nach und denke, dass ich bis jetzt noch denke,
um Mitternacht aus mir herausgehend, um ein Taxi nach Hause zu nehmen, kam ich zu dem Schluss,
dass ich nicht über Information verfüge, und sie auch nicht über mich.

Am meisten fürchte ich, über Information nachzudenken, -
man muss sie total und gleichzeitig denken, mit ihr spricht man nicht in Ruhe tête-à-tête,
da Information und Gott unerschöpflich sind, so sind sie ein Ganzes.
Geld ist auch unerschöpflich, fügte der Taxifahrer hinzu und fragte, wohin er fahren soll.

Die Luft ist voller Körnchen des theologischen Kamasutra,
der Raum explodiert an unerwarteten Stellen wie ein Märtyrer-Terrorist,
und die Zeit bleibt stehen, bestürzt, wie ein Mensch vor dem Zug auf den Gleisen
ohne zu wissen, wohin – links?! oder rechts?!

So saß ich auf dem hinteren Sitz, und mir wurde bewusst,
wie sehr mich die Information beherrscht, vorne und hinten,
sie nahm meinen Kopf in die Klemme, wie eine erregte Frau zwischen die Schenkel
sie ätzte sich ein in mein Blut, wie eine Droge, stets eine höhere Dosis verlangend.

Die Information ist so konzentriert in meinem Blut, dass ich all ihre Ingredienzien kenne   
ihr Plasma, Leukozyten, Thrombozyten und anderes
Unser Blut ist nicht mehr Blut, es bröckelt  in Teilchen,
wie der Glaube an Gott  etwa Katholizismus oder Baptismus wird,
wie sich im Menschen Kindheit und Alter trennen,
als ob die Welt  nur eine Laborleiche für Medizinstudenten wäre.

So saß ich im Taxi mit dem Fahrer zusammen, unvermögend
meine Adresse zu nennen,
noch aus dem Auto zu steigen.

vor kurzem kehrte ich aus der Armee zurück, doch ich spüre,
ich komme von dort niemals heim

die Erinnerungen überraschen mich wie unplanmäßige Befehle des Leutnants
letzterer meinte, das Gesicht müsse sich nicht von einem Knie unterscheiden
er sagte: „Aus Frauen können noch Menschen werden, wenigstens einer.
Und aus dir? Wir zeigen dir mehr Poesie als du physisch schreiben,
das heißt ertragen kannst"

einmal in ihr gewesen, vermag ich nicht sie aus meinen Träumen zu verbannen
doch es ist keine Frau, es ist die Armee

mein Essen, Kleidung, Bewegungen, Tränen waren vom Leutnant anderthalb Jahre im Voraus durchdacht
diese ganze Zeit trug ich meine Sehnsucht wie zwischen zwei Zollstationen,
manchmal stillte ich sie heimlich für einen Augenblick bei Betrachtung weiblicher Nacktfotos
oder betend

obwohl letzteres – wobei es ja gar nicht das letzte ist – musste es nicht obligatorischer Weise  heimlich sein
obligatorisch ist nichts beim Beten außer Gott

das nächtliche Bett in der Kaserne rettet einen wie ein Delfin
ich halte mich am Kissen fest wie an einer Flosse, die mich aus dem Schlamm wie einen Ertrunkenen hebt
und zum Sonnenaufgang bringt oder zum Aufstieg oder zum falschen Alarm,
ja, zum falschen, denn ein Krieg ist immer ein Fehler

dessen Anfang ich diese anderthalb Jahre aufschob

missratene Regierung knipst das Licht aus und Gott die Kerzen
die Elektriker-Sekte zelebriert ihre Totenmesse mit verbrauchten Gebeten   
eine Handvoll septimenakkordener Schönheiten  topografische Karten der Träume
Was kriecht sonst noch unter deinen Pyjama  in diese Anime-Augen
Du weißt – man steigt nicht zweimal in das gleiche Bett –
dich zum Schlafen richtend willst du deinen eigenen Namen umarmen - und es gelingt dir nicht
Korobstein? Korobadze? Koroboro? Takuboku?

Du bist ein Kaleidoskop mit dreizehn Versuchen die eigene Phantasie zu verprügeln
Die Epauletten herunterzureißen  auf die Feldmütze treten  Stumpen statt Brust
andererseits: wie schützt man das Copyright auf eigene Halluzinationen?
in jeder eine Visitenkarte hinterlassend den Hasenschwanz, wie es der allgemein bekannte Killer tat?
eine Spritze mit einigen Kubikdezimetern deines hiesigen Aufenthalts?
Damit es sofort klar wird - wenn jemand einstweilen diese Harddisk wieder bespielt
– dieses Territorium markierte P. P. Korobtschuk

an Landschaften gewöhnt man sich wie an Menschen oder Mentalitäten
wie man Lastern verfällt und den Rauch hinter den Horizont in eine andere Landschaft ausatmet

im natürlichen Zustand ist eine Landschaft eintönig es sei denn man betrachtet sie jahrhundertelang
auch der Mensch verwest und die Würmer bilden bereits eine andere Landschaft

manchmal gelingt es mir noch mich von der Landschaft zu sondern
indem ich in einem Sprung beide Beine abhebe oder auf die Handflächen schaue oder mit den Augen
blinzle

schaffe ich denn mich abzusondern einen Augenblick vor dem Regen?
anders werde ich selbst zu ähnlichen Tropfen, die ich – so verwischt – nicht mehr aufsammeln könnte

man kann die Landschaft in den Selbstmord treiben man kann sie erhängen oder unter einen Zug legen
man kann sie akzeptieren und miteinander Gassi gehen wie mit Hunden

dieses Papier ist zwar nicht reliefartig doch es bildet auch eine Art Landschaft
und die Menge der Spatien deutet an, die Landschaft des Menschen sei nicht nur sein Körper

man sollte es wissen von wem man sich vergewaltigen lässt
man sollte es wissen mit wem man im Aufzug in der obersten Etage der Hingabe einen heimlichen Kontakt
knüpft
man sollte es spüren beim Erscheinen verlassener Häuser mit Bäumen die aus dem Parkett wachsen
eines Morgen verlassen zwei Menschen ein solches Haus
sie sind erfüllt mit Wahrheit und mit Schweigen ihre Körper warm vom Vollmondschein

die Dämonen eurer Betten und Gerüche
flogen von der schwarzen Messe am Nachtlager unter die Ahornbäume
du leugnest die Flecken verlangst Erklärungen von dir selbst  
streichst deine Haare zurecht und das Kleid wie eine Nonne nach einem Nachtklubbesuch
du versteckst dich vor dir selbst in Fast-Food-Lokalen – man pflege ja soziale Kontakte
die schwarze Katze der Berührungen bleibt in dir lebenslang sie frisst dich von innen auf
jeden Frühling wird sie durch Keller streichen mit fantastischen Tigern und Zikaden zusammen
und dann wirst du dir jedes Mal deinen Bauch mit einem Kreuzmesser aufschneiden  
hier sind deine Tode, ausgeschlüpft aus zerbrochenen Kolben  hier die Perspektiven unter dem Nagel

die Liebe die dir vom Wasser zurückstrahlt
strahlt wie heiße Leuchttürme in denen die Körper der einstigen Liebhaber verbrennen
die der Lieblingshollywoodstars und sogar dieser uferlosen Passanten
der Raum zwischen euch zirkuliert wie das Blut du wärmst dich an Kapillaren und versinkst in ihnen
die Passanten haben kein Ufer in ihnen könntest du untergehen wie ein Erdöltanker auf hoher See
mit der Lieferware deiner einzigen jedoch verwahrlosten Liebe wenn man sie überhaupt als Ware
bezeichnen darf
die Haut verhornt
und unter ihr entsteht eine knusprige und fragile Kruste der Berührungen wie ein fettfrei gebratenes
Rührei

man sollte es jedes Mal wissen wo die Geduld zu verlieren ist wie die Unschuld
wo man explodieren muss das Gehirn auf Gardinen der inneren Wände des Herzens verschmierend
die Verzweiflung soll man rechtzeitig trainieren sie auf Halbtagesfahrten in der U-Bahn üben
sich an jeden Fahrgast anlehnend zu internen wie externen Rushhours
du verbrennst und du schaffst nicht jeden Willigen dich schmecken zu lassen
nachts zerfallen die Gliedmaßen und du versuchst bis zum Morgengrauen den Ausweg aus dieser Ödnis zu
finden

hier und heute schnappte ich dich in der Gasse
du batst mich ins Bett zu gehen bequemer als Asphalt und als Milliarden von Schritten
dort erfuhren wir beide von der gemeinsamen Gier in allen Spielkartenfarben
von der schwarzen Katze die du morgens im Treppenhaus mit Milch fütterst deiner Milch

heute heute – das Wort, das in deinem erogenen Schädel dein Leben lang erschallen wird
heute, hier, im verlassenen Haus, wohin wir gingen, dem Asphalt entrissen
mit Leidenschaft abgewetzt wie die Wände im Haus und verborgen wie die Narben an Handgelenken
hör' zu Widerstand und Tränen lohnen sich nicht, sie sind nicht mehr ehrlich

die Ziele eines Vergewaltigers und einer unbefriedigten Frau sind immer verschieden
für sie wird das Spiel in einem bestimmten Moment zum richtigen Leben
für ihn wird das Leben in einem bestimmten Moment zum richtigen Leben

hör' zu im verlassenen Haus in das mitzukommen du dich einverstanden erklärtest mit dem Messer an der
Kehle
zeigtest du dein wahres Gesicht das unter der Gürtellinie und
vor dem Richter
darf man deshalb nicht jammern man darf nicht heulen – den bequemeren Umständen der Befriedigung
hattest du selbst zugestimmt
zu heiß ist die Entfernung zwischen uns
zu höllenhaft vergießen wir unser Erdöl mitten im Meer
zu lang zähmten wir unsere Dämonen und Katzen

aber sie weinte nicht deshalb