Kapka Kassabova

الانجليزية

Mikael Vogel

الألمانية

Our Names Long and Foreign

Here they are, inside the album,
they squint in the September sun
of nineteen-fifty-eight,
of nineteen-eighty-four.
On this page, a girl is born,
a piece of dark flesh in a dark time.
Class-room, ribbons in the hair.
On this page, she is across the border to get married,
and be lonely and homesick,
and eat from despair.
Here, her brother gets divorced,
the second cousin’s crowned
the town’s beauty and has twins,
the other brother comes back from the war
and almost drowns in the Ohrid lake,
but the pages are mixed up,
this war should come before the rest.
Here, the twins without a mother.
The beautiful go first, and then the good.
And then the other way.
It’s hard to say, the ink of years
is smudged like tears from nineteen-twenty-four.
Here, borders lift, the family meet
after seven years. Nervous smiles.
Their shadows stretch across the pier,
beach, veranda, cypress, pine.
The Ohrid lake has no reflections,
the babies are anonymous,
the children mute with secrets,
the adults in a slow decline.
They wave, they smile,
they’re happy, but they feel
there’s something on the other side
behind the camera.
No matter how much flesh
and hope they throw at it,
it gets them in the end,
them and their children who smile
in black and white, then colour,
then I’m in the picture too.
Hello! we call out one last time
from the shadow of September,
and trip into unmarked containers
stacked in silent Balkan rooms,
our ink smudged,
our names long and foreign
in the mouths of the unborn.

© Kapka Kassabova
من: Geography for the Lost
Bloodaxe Books, 2007
الإنتاج المسموع: Literaturwerkstatt Berlin / Haus für Poesie, 2016

Unsere Namen lang und ausländisch

Da sind sie, im Album,
sie blinzeln in der Septembersonne
von Neunzehnhundertachtundfünfzig,
von Neunzehnhundertvierundachzig.
Auf dieser Seite ist ein Mädchen geboren,
ein Stück dunkles Fleisch in einer dunklen Zeit.
Klassenzimmer, Bänder im Haar.
Auf dieser Seite ist sie jenseits der Grenze um zu heiraten,
und einsam zu sein und Heimweh zu haben,
und aus Verzweiflung zu essen.
Da ist die Scheidung ihres Bruders,
die Cousine zweiten Grades wird zur
Stadtschönheit gekrönt und bekommt Zwillinge,
der andere Bruder kehrt aus dem Krieg zurück
und ertrinkt um ein Haar im Ohridsee,
aber die Seiten sind durcheinander,
dieser Krieg sollte vor dem Rest stehen.
Da, die Zwillinge mutterlos.
Die Schönen gehen zuerst, und dann die Guten.
Und dann andersherum.
Es ist schwer zu sagen, die Tinte der Jahre
ist verschmiert wie Tränen von Neunzehnhundertvierundzwanzig.
Da, Grenzen öffnen sich, die Familie trifft sich
nach sieben Jahren. Nervöses Lächeln.
Ihre Schatten erstrecken sich über das Pier,
den Strand, Veranda, Zypresse, Pinie.
Der Ohridsee hat keine Spiegelungen,
die Babies sind anonym,
die Kinder vor Geheimnissen stumm,
die Erwachsenen in einem langsamen Niedergang begriffen.
Sie winken, sie lächeln,
sie sind froh, sie spüren aber
daß es etwas auf der anderen Seite gibt
hinter der Kamera.
Wieviel Fleisch und Hoffnung
sie auch immer dagegenhalten,
am Ende erwischt es sie,
sie und ihre Kinder
die in schwarz-weiß, dann Farbe lächeln,
dann bin auch ich im Bild.
Hallo! rufen wir ein letztes Mal
aus dem Septemberschatten hervor
und stolpern in ungekennzeichnete Behälter
gestapelt in lautlosen Balkanzimmern,
unsere Tinte verschmiert,
unsere Namen lang und ausländisch
in den Mündern der Ungeborenen.

Aus dem Englischen übersetzt von Mikael Vogel