Lubi Barre

الانجليزية

Christine Koschmieder

الألمانية

Goodbye

The man staring at me through my iPhone screen is old. His hair is completely grey and close cropped. He’s lethargic, his eyes heavy, his voice slow. He used to know several languages but now can barely speak his native tongue. A tongue he had passed on to me but that I barely use in my new life.

I say “Father it’s your daughter, Lubna”.
He hardly responds, looking back with low lids at the iPad shoved in his face. My mother goads him to respond and like a good school boy he says ‘hello how are you doing’ rehearsed.

I say “Father, its Axado” and suddenly he bursts into a knowing smile, remembering the special nickname he gave me as a child; Sunday.
I say “Father, its Axado, look at my baby son, we say hello”. His smile widens, his soul remembering his love for babies even if his brain can’t comprehend that this one belongs to me.

I do not know this old man. The father I knew and left four years ago was old only in years. His voice was strong, leaving me pleading messages to return his calls as I erased them.
And now, I find myself picking up my son like a prop and presenting him to his grandfather on a phone screen. They both look at each other, like strangers, unaware they share twenty- five percent genetically.
I am not sure if they will get the chance to meet. I know for sure that my father can no longer give me advice, does not have the strength to hold his grandson, to make the connections needed. I know that he will not be able to change my son’s diaper when his own needs changing.

I wished it did not take me this long to become responsible, to understand how fixable everything is. I wished I knew the fragility of life before the feel of my son’s new skin.

I say “Goodbye father” and wave my son’s hands for him while his own lays limp. My mother prompts him to answer and he says like an old man ‘good bye, have a nice day’.

© Lubi Barre
الإنتاج المسموع: Haus für Poesie, 2020

Auf Wiedersehen

Von meinem iPhone-Display starrt mir ein alter Mann entgegen. Sein kurzgeschorenes Haar ist vollständig ergraut. Er wirkt teilnahmslos, die Augen verhangen, seine Stimme schleppend. Früher hat er mehrere Sprachen gesprochen, jetzt beherrscht er kaum noch seine eigene. Eine Sprache, die ich von ihm übernommen habe, aber in meinem neuen Leben fast nie verwende.


“Vater, ich bin’s, deine Tochter, Lubna.”, sage ich.

Seine Reaktion ist kaum wahrnehmbar, unter gesenkten Lidern mustert er das iPad, das ihm vors Gesicht geschoben wird. Als meine Mutter ihn zu einer Antwort drängt, antwortet er wie ein braves Schulkind. Sein ‘Hallo, wie geht´s dir?’ klingt einstudiert.


Als ich sage, “Vater, ich bin’s, Axado”, überzieht unvermittelt ein erkennendes Lächeln sein Gesicht, hat er mir diesen Kosenamen doch selbst gegeben, als ich ein Kind war: Axado, Sonntag.

“Vater, ich bin´s, Axado, und guck, wen ich dabeihabe, meinen kleinen Sohn, hallo“, spreche ich weiter. Sein Lächeln vertieft sich, etwas in ihm weiß noch, dass er Babys liebt, auch wenn es nicht mehr in seinem Hirn ankommt, dass dieses Baby zu mir gehört.


Dieser alte Mann ist mir fremd. Der Vater, den ich gekannt und vor vier Jahren das letzte Mal gesehen habe, war nur den Jahren nach alt. Die Stimme, die mich auf meinem Anrufbeantworter angefleht hat, ihn zurückzurufen, während ich sie gelöscht habe, war kräftig.

Und trotzdem sitze ich jetzt hier und halte meinen Sohn wie eine Requisite vor ein Handydisplay, um ihn seinem Großvater vorzuführen. Wie zwei Unbekannte mustern sie einander, ohne dass ihnen bewusst wäre, dass sie zu 25 Prozent genetisch deckungsgleich sind.   

Ich weiß nicht, ob sie einander noch begegnen werden. Sicher hingegen weiß ich, dass ich von meinem Vater keinen Rat mehr erwarten kann und dass er keine Kraft mehr hat, sein Enkelkind in den Arm zu nehmen oder auch nur die Verbindung aufzubauen, die es bräuchte. Ich weiß, dass er meinem Sohne nie die Windeln wechseln wird, trägt er doch inzwischen selbst welche.


Ich wünschte, ich hätte nicht so lange gebraucht, um verantwortlich zu handeln und zu verstehen, wie reparierbar alles ist. Ich wünschte, es hätte nicht erst die zarte Haut meines Neugeborenen gebraucht, damit ich begreife, wie verletzlich das Leben ist.


“Auf Wiedersehen, Vater”, sage ich und winke ihm mit der Hand meines Sohnes zu, während seine eigene schlaff liegenbleibt. Meine Mutter souffliert ihm die Antwort. „Auf Wiedersehen“, sagt er wie ein alter Mann, „und einen schönen Tag.“

Aus dem Englischen übersetzt von Christine Koschmieder