Yang Lian

الصينية

Wolfgang Kubin

الألمانية

大海停止之处(之二)

1
铺柏油的海面上一只飞鸟白得像幽灵
嗅到岸了 那灯塔就停在
左边 我们遇难之处
铺柏油的海面上一只锚是崩断的犁
一百年 以墓碑陡峭的程度
刷新我们的名字
在红色岩石的桌子旁被看着就餐
海水 碧绿松针的篝火让骸骨取暖
龇出满口锈蚀发黑的牙 跳舞
小教堂的尖顶被夹进每个八月的这一夜
死亡课上必读的暴风雨
那光就停在 更多死者聚集之处
锚链断了 锚坠入婴儿的号哭深处
情人们紧紧搂抱在柏油下
一百年才读懂一只表漆黑的内容

2
花朵的工事瞄准了大海
一只等待落日的啤酒杯 涂满金黄色
像嘴唇上逐渐加重的病情
那说话的 在玻璃中继续说话
那歌唱的 都被一把电吉他唱出
用十倍的音量封锁一个聋子
微笑 就是被录制的
食物 掰开手指
水手溺死的侧影 就逼近
在椅子和椅子之间变成复数
风和风是呼吸之间一滩咸腥的血迹
那被称为人的 使辞语遍布裂缝
石头雪白的脚踝原地踏步
使心跳的楼梯瘫痪
日子 既不上升也不下降就抵达了
最后的 醉鬼的 被反刍的 海

3
麻痹的与被麻痹裹胁的年龄
沉船里的年龄
这忘记如何去疼痛的肉体敞开皮肤
终于被大海摸到了内部
被洗净的肝脏一只白色水母
被腌熟的脸 牵制着上千颗星星
被海龟占领的床 仍演奏发亮的乐器
当月光无疑是我们的磷光
潮汐 不停地刮过更年幼的子宫
呼救停进 所有不存在的听觉
在 鲨鱼被血激怒前静静悬挂的一刹那
我们不动 天空就堆满铁锈
我们被移动 大海的紫色阴影紧握着
一百年 一双喷吐墨汁的手
摸 无力的与被无力实现的睡眠
耻辱 骑在灯塔上
摸 死者为沙滩遗留的自渎的肉体
飞鸟小小的弓把飞翔射入那五指
我们的灵柩不得不追随今夜
挖掘 被害那无底的海底
停止在一场暴风雨不可能停止之处

© Yang Lian
الإنتاج المسموع: Literaturwerkstatt Berlin 2010

Der Ruhepunkt des Meeres

I
Auf asphaltiertem Meer ist ein Vogel in den Lüften so weiß wie eine arme
Seele.

Wenn er das Ufer gewittert hat, hält der Leuchtturm inne,
zur Linken, wo wir einst strandeten.

Auf asphaltiertem Meer ist ein Anker ein geborstener Pflug.

Ein Jahrhundert schreibt unsere Namen neu,
ganz nach der Neigung von Grabsteinen.
Wir speisen vor aller Augen neben rotem Felsentisch Meereswasser. Ein
Feuer aus grünen Kiefernadeln wärmt das Gebein.
Die Münder ein Gebiß, schwarz vor Rost, im Tanz.

Die Spitze der Kapelle ist eingepaßt in diese Nacht eines jeden Augusts.
Stürme: Pflichtlektüre im Fach Tod.

Das Licht da hält inne, wo noch mehr Totes sich sammelt. Wenn die Kette
gebrochen ist, fällt der Anker tief in die Klage von Säuglingen.
Liebende halten einander umschlungen unter dem Asphalt.

Nach einem Jahrhundert erst ist zu verstehen der schwarze Inhalt einer
Uhr.

II
Die Festung der Blumen hat das Meer im Visier.
Ein Bierglas erwartet den Sonnenuntergang, Gold beschmiert,
wie ein Krankenstand, der sich verschlimmert auf den Lippen.
Wer da spricht, spricht weiter im Glas.

Wer da singt, wird gesungen von einer E-Gitarre,
zehnfach verstärkt. So sperrt man einen Tauben ein.
Lächeln ist die Sache von Mitschnitten,
Speise etwas zum Aufbrechen von Fingern.

Die Silhouette eines ertrunkenen Matrosen drängt heran. Zwischen Stuhl
und Stuhl wird sie zum Plural.
Der Wind und der Wind ist ein stinkiger Auswurf Blut zwischen Atemzügen.
Was da Mensch heißt, stopft Risse mit Worten.

An altem Ort treten Steine auf der Stelle, schneeweiß sind ihre Fersen.
Sie lähmen des Herzklopfens Stiege.
Nicht steigend, nicht fallend, so erreichen nun die Tage
das letzte, das trunkene, das wiedergekäute Meer.

III
Jahre der Lähmung, Jahre gelähmt zur Untat gepreßt,
Jahre in versunkenem Schiff.
Der Leib hier, uneingedenk der Gabe zur Linderung, öffnet weit seine Haut,
bis das Meer nach innen faßt.

Gereinigt ist die Leber eine weiße Qualle.
Gepökelt bindet ein Gesicht Sterne tausendfach. Beherrscht von
Schildkröten, spielt das Bett weiter auf funkelndem Instrument.

Wo der Mond zweifellos unsere Phosphoreszenz ist,
schaben die Gezeiten ruhelos jüngere Schöße aus.
Hilferufe halten inne in jedem Gehör, das keines ist.

In dem winzigen Moment, da ein Hai vor dem Blutrausch still hängt.

Wir bewegen uns nicht. Rost hat den Himmel überhäuft.
Wir werden bewegt. Der purpurne Schatten des Meeres hat
ein Jahrhundert im Griff. Ein Paar tintenklecksende Hände
rühren an matten, matt umgesetzten Schlaf.
Schmach, rittlings auf dem Leuchtturm,
rührt an onanierende Leiber, von Toten den Stränden vermacht.
Die Vögel in den Lüften sind ein winziger Bogen, der schießt allen Flug in
die fünf Finger seiner Hand.
Unsere Särge haben dieser Nacht zu folgen.

Auszugraben ist der verletzte, grundlose Meeresgrund, innehaltend, wo
ein Orkan nicht innehalten kann.

Aus dem Chinesischen von Wolfgang Kubin
Aus: Aufzeichnungen eines glückseligen Dämons. Gedichte und Reflexionen.

© Suhrkamp Verlag, Frankfurt/Berlin 2009