Oliver Mertins
Was Oliver erzählt
Gewiß hätte auch ich viel zu beweinen und anzupreisen,
da soviele Menschen ihr Leben mit Klagen und Schein verbringen,
aber womit beginnen – beim janusköpfigen Samen
meines Vaters der in meiner Mutter fruchtbaren Boden fand?
bei der Schriftrolle die er transportierte und gerinnen ließ
in der Bibliothek jener Zelle darin er verklang
zu meiner Gestalt und dem Grundgehalt meiner Sinne?
oder beim ersten Stein, beim ersten Lichtstrahl, beim ersten Wort,
beim Triumph der Schlange im Schattenspiel der Arten,
und den Grund der Existenz und ihre Grenze befragen
auf der Suche nach weiterem Trug der abgründiger betörte –
ich sitze im Schatten dieses mittäglichen Gartens
und höre durch die geöffneten Fenster meine Frau
beim Kochen ein Liebeslied um meinen Namen singen,
sehe die arabische Kalligraphie ihrer Lerchenstimme
Blätter und Blüten um Flügel und Küsse vermehren
zum Klappern der Töpfe, während die Vögel schweigen in der Hitze,
mein Freund im Gegenlicht Früchte pflückt aus Wasser und Schatten,
und spüre als Fächer und Brise seine Hände, meine und ihre –
daran soll kein Reim gelingen, alles klingt hier durch sich selbst,
ich weiß, daß ich dankbar und restlos bin, da mir Gnade widerfuhr,
das Schicksal meine Sehnsucht erhörte und mich bereit fand,
meinen Wunsch einzulösen, nachdem ich allen Hintersinn verbrannt
und mich erkannte als meinen verbissensten Gegner,
gereichen mir der Freund in den Früchten, in der Hängematte
der schlafende Sohn und Liebeslieder, meine singende Frau
als schattiger Garten im sprengenden Licht unbefragt zum Lebenssinn,
mein überfülltes Auge, die kristalline Knechtschaft
des Spiegels der meinen Leib vergeudet, ist der Sanftmut gewichen,
das sengende Rad von Vergangenheit und Zukunft
vor dem Augenblick verblichen und die Gestalt ist kräftiger
als die Agonien, Wellen mich auszehrender Stundenlauge.
Wer Schlaflosigkeit kennt und ihren Grund der ihn häutet
mit Phantasmagorien im Nachtschwalbenschrei der Wirklichkeit
und verwirft mit dem Sternengebiß die bittere Frucht
darin die Kelter Stunden von Duftöl und Salben einläutet,
weiß wie ich, was die schwere Hyazinthe auf den Lidern
über sich hinaus bedeutet und begrüßt die Rätsel des Schlummers,
die Kühle der Wand, ihre Wärme abends am blauen Feigenbaum
und selbst wenn die Nacht mich bricht und der Götter Neid erwacht,
was Geschichte heißt mich laokoonisch vernichtet,
die Schwelle unterm Richtbeil splittert, wird sich mein Wort erheben
wider den murrenden Taubenschlag auf Lungenflügeln
und lachend rufen, einmal war ich am Ende der Zeit,
außer mir frei und habe nicht mehr mit Tagen geschoben,
um Träume gehandelt, die Handfestigkeit zum Knochen auszehren,
während sie die Wesen mehren durch Begehren und Angst
wie Flußnebel und Sumpflicht um alle Gesichte daran du krankst,
wer will drohen, wer versprechen, einmal war ich am Ende der Zeit
und hörte meines Spiegelbildes Zifferblatt brechen
unterm Glockenspiel der Blumenuhr da mir Sonnenschneisen
den Weg aus Totenräumen gewiesen ins Angesicht der Nächsten
wo Horus sang vom Ende der Zeit hinter wolkenverhangener
und lichtzerstäubter Unerreichbarkeit der Personen
welche aufs Rad gestellt einander fremd das Wetterhaus bewohnen,
einmal meine Hand auferstand als Falter aus klebrigen Weben,
einmal ich ins Leben entsprang der Zeit des Reisens und des Wartens
durch einen unteilbaren Mund darin noch die Zähne
mit Fürsorge lohnen was geöffnet sich hingeben wollte
und sich wandelte zu Sprache im Handstreich der Saaten.