Orsolya Kalász
Die Sprache gibt den Löffel ab
Die Sprache gibt den Löffel ab
für Verena Kammerer
Wer kommt in meine Sprache?
Frag ich dich
frag du mich
du Schlaflose.
Komm
frag mich doch, du mich doch, ich dich dann wieder.
Gibt es das Tor in deiner Sprache
das auf mein Herzklopfen sich öffnet?
Hör mich doch, du mich doch, ich dich dann wieder.
Was können die Tränen in deiner Sprache?
Was können Tränen in deiner Sprache
wenn ich von der
Rebe
der Rebe des Weinen
die salzigen Trauben
heimkarre
und sie
auf dein Gesicht lege
läßt du sie dann rollen, rollen sie in deiner Sprache?
Frag ich dich, frag du mich, du mich doch, ich dich dann wieder.
Wollen sie heim
die erratenen Worte
heim in die Dämmerungsanstalt?
Was mußt du dann abgeben, du in deiner Sprache?
Du, den Löffel.
Ich, ich in meiner Sprache den Schlüssel.
Da liegen noch ein paar Vergleiche im Keller.
Ich bin schuld! Du bist schuld!
Wer ist schuld!
Die verdammten Ratten sind schuld!
Frag du mich, frag ich dich, du mich doch, ich dich dann wieder.
Was erwartet die Hand in deiner Sprache?
Ich hatte ihren Kopf, einen an jedem Arm
damit ließe sich etwas anfangen
anfassen, umarmen.
Dir zeigt sie nur ihre Kehle
die Handkehle.
Was kann eine Kehle
außer singen, oder schreien
einschießen in die volle Traube.
Dann sing eben, sing, schrei, verschluck dich
schluchze, röchle
speie die Kummerbrocken
auf ein weißes Blatt:
Ein Bild. Ein Mädchen und eine Wildgans. Die Gans hat ein Bein hochgezogen.
Das Mädchen lehnt den Kopf an ihren dünnen langen Hals.
Wer kommt in meine Arme
hör ich dich, mich, hör du mich
hör doch
die erratenen Worte
haben das Herztor aufgestoßen
die Trauben
zertreten, zertreten, zertreten
Laß uns tauschen
gib mir den Löffel
nimm du den Schlüssel.