Richard Huelsenbeck
[Ich ziehe die Nacht dem Tage vor aus dem]
Ich ziehe die Nacht dem Tage vor aus dem
einfachen Grunde, ich bin ein Abkomme der Möndlinge,
die den Mond anbeten wie andere Menschen
der heiligen Jungfrau ihr rohes Herz anbieten.
Wenn die Häuser von menschlichem Haß entdünstet
sind und der Baracken Gitterwerk kühl
die Mitternacht erwartet kommt meine Zeit.
Schwarz ist mein Weiß und Leere mein Gewühl.
Der Kapitän der „Queen Elizabeth“ liegt
wahrscheinlich im Waldorf Astoria im Bett,
das, von Traumwellen bedrängt, ihn wiegt wie
im Sturm. Die Nacht ist schon spät.
Und des Monds Röte ist gefährlich, wie
des Kindes Wange, das unter den schweren Augen
der Mutter fiebert. Ach, nun ist die Zeit der
Schatten, die die Kraft aussaugen.
Lustige Lieder werden gesungen nach der
Beerdigung, hier und da, aber der Beerdigungsdirektor
ist noch lange über seine Bücher gebeugt,
nachdem Trän´und Trauer versiegt sind.
So ist des Lebens unverständlicher Wechsel.
Gib mir die Hand als Freund, vergeblicher Feindschaft
Irrsal sei dem Vergessen geweiht.
Und die Nacht gehört uns Lebendigen.
Wann siehst du Clown des Schicksals blassen
Finger, wie er weist und webt
wie eine Wolke, die dem nassen
Himmel trotzt und sich dem Sein enthebt?
Du bist noch blinder als des Bettlers Aug´
von Schwären wohl verklebt und dumm
dem Tag ergeben und dem Alltagsbrauch:
Es muß so sein und sei es drum.
Vergiß nicht, daß des Lichts Versehren
deine Kraft ist und der Sonne Ton
in dir sich wirkt und rötet wie der Mohn,
so wie wir es begehren.
Sodaß wir dann, wenn sich der Vorhang senkt
und Lid um Lid der letzten Schwere weicht
das Herz sich reckt und wie in Glut ertränkt,
zufriedenes Glied dem Ganzen sich verneigt.