Volker Braun
Aus: Der Weststrand
Aus: Der Weststrand
V
Frühstück, „Herr Ober, die Staukarte bitte“
. . .
Sie hocken im Modder wie komische Vögel
Die Krallen abwärtsgerichtet
Plastikbeutel als schwarze
Wehende Kröpfe, Muschelsucher
In La Tranche-sur-Mer. Einsame lüsterne Arbeit
Der Dichter,
für eine rohe Mahlzeit.
Was zählt
Das Ende der Geschichte
In diesem alltäglichen Schlick
Wo oben unten ist und Tod Leben.
. . . Und er benutzte die Zeit, darüber nachzudenken
Wie paradox es ist
Daß uns Stöße Genuß bereiten
„Ein Stochern im Leib. . . dankbar aufgenommen“.
Im Gesicht einer Frau
Liest er, öffnet sich was sich öffnen läßt
Mund und Auge, mehr
Liest er im Gesicht einer Frau.
Siedendes Wasser. Sie schlürfen die Muscheln
Eine Nacht nach der andern
Betäubt mit Zitronen
Und ich hoffte wieder, mich der Dinge
Die mich treffen
Ein Erwählter
Würdig zu zeigen.
VI
Ein Mittag ohne Adresse, windflüchtig, süchtig
Nach Sonne streunst du
Aus dieser Schlucht Politik
(„dem Leben
Wiedergegeben”) in die blühende Steppe. Hättest
Du dir das (und von wem)
Träumen lassen? Eine Watt-
Wandrerin, unabhängig
Deine Seele, von den Zapfsäulen
Spürst du das Schwimmgleichgewicht der Landmassen
Auf dem pulsierenden Erdkern. Themenwechsel
Der Kannibalismus unter Galaxien
Du kannst sagen, du bist dabei. Die Plattentektonik
Der Geschichte („gleichsam ein Auffahrunfall“)
Und der Superkontinent
Pangäa erhebt sich
COCA COLA aus dem Weltmeer.
Jetzt hast du alles (was du nicht brauchst), atme auf
Sechzigmal der Wechsel der Jahreszeiten
Dreimal der Wechsel der Zeitalter
Darunter machst du es nicht;
nimm
Die Dinge, wie sie nicht länger sind
Mit kalter Achtung: kein Passant . . .
en passant.