Werner Söllner
Der chinesische Löffel
Der chinesische Löffel
An einem Tag im November, als ich
aus einem Versehen heraus
Erich Fried war, unter anderen Gästen
in einem Wiener Museum, das voll war
von Hrdlickas marmornen Schwänzchen, drapiert
von Kanapees, Prosecco und Bier -
da schaute ich zu, wie all die erwachsenen
Kinder ihre Mutter ad nauseam
verzehrten, privat und politisch, angerichtet
mit Fisch und Zucchini auf blaugemustertem
Porzellan, da wußte ich endlich, daß diese Welt
sich nicht mehr verwandeln wird
ins von wem wohl und wie und warum wohl
anders Gemeinte -
an einem Tag im November, als ich
der vielen, zu vielen Gedichte
gedachte und dessen, was ist, was
es ist, da schaute ich zu, wie Sartre
sich umdreht im Mund eines aufgeklärten
Ministers, da umarmte ich den chinesischen Löffel
wie Nietzsche sein Pferd, mit Nausikaa
ging ich und pflanzte ein Bäumchen
ins Heute.